Bestimmt der Körperbau die Sportart, oder ist es umgekehrt?

Laufen, Turnen oder Basketball? In erster Linie entscheiden die Statur und andere Körpereigenschaften, für welche Sportart sich jemand eignet.

Dem vielfachen Olympia-Sieger Usain Bolt würde es wohl keinen großen Spaß machen, einen Marathon zu laufen. Denn die Muskeln von Ausdauerläufern arbeiten anders als die von Sprintern, sie kontrahieren langsamer. „Sie müssen ökonomischer arbeiten, damit der Athlet eine lange Distanz schafft. Das ist für Usain Bolt, der seine Leistung in unter zehn Sekunden bringt, egal“, sagt Markus Tilp, Leiter des Instituts für Sportwissenschaft der Uni Graz.

Wie jemand gebaut ist, ist also entscheidend für den Erfolg in einer Sportart. „Ein Gewichtheber ist nicht klein und kräftig, weil er Gewichtheber ist. Er ist Gewichtheber, weil er klein und kräftig ist“, erklärt Tilp. Er schätzt den Anteil, den der Körper auf die Eignung für einen Sport hat, auf etwa 80 Prozent. Der Rest sei Training, auch Usain Bolt habe nicht immer so ausgesehen wie heute, die Anpassungsfähigkeit sei ein großer Vorteil des Menschen: „Auch Muskeln und Sehnen passen sich den Belastungen an“, sagt der Sportwissenschaftler.

Auf die Größe kommt es an

Keinen Einfluss hat man freilich auf die Größe, da ist der körperliche Vorteil in manchen Sportarten besonders offenkundig: Ein hochgewachsener Basketballer scheint den Ball beinah in den Korb zu legen. Umgekehrt sei es kein Zufall, dass die amerikanische Turnerin Simone Biles nur 1,45 Meter misst: „Kleine Menschen haben ihren Körperschwerpunkt näher am Reck, das vereinfacht Drehbewegungen“, erklärt der groß gewachsene Forscher, der selbst Volleyball spielt. Auch dabei bringe wiederum eine große Statur Vorteile. Wie beim Fußball hängen diese aber auch mit der Position im Team zusammen, so Tilp, der Mannschaftsspiele auch wissenschaftlich untersucht. Tormänner und Verteidiger seien etwa meist größer als Mittelfeldspieler. Wo – wie beim Bogenschießen oder auch beim Segeln – das Sportgerät eine zentrale Rolle spielt, dürfte die Größe weniger wichtig sein.

Wie überall, wo es um den Menschen geht, gibt es keine einfache Antwort. Immerhin überraschen Sportler immer wieder auch mit einer für ihre Sportart untypischen Figur. Der Körperbau lässt sich mitunter auch durch andere Fähigkeiten kompensieren: „Wenn ein Fußballer schon vor dem Gegner weiß, wohin der Ball fliegt und schnell reagiert, muss er gar nicht so groß sein“, so Tilp. Weil aber auch Taktik und gute Koordination zählen, seien hier körperliche Nachteile leichter auszugleichen als in einer Sportart, die etwa nur auf Tempo abzielt. Was überall hilft, ist freilich die Erfahrung.

Was bedeutet das nun für den Nachwuchs? „Der Körper ist nur ein Entscheidungskriterium. Welchen Sport ein Kind wählt, hängt auch vom sozialen Umfeld – also Freunden und Eltern – und den Möglichkeiten, die sich dort bieten, ab“, meint Tilp. Wo es Freude und Erfolg hat, dabei bleibt es. Wobei der Körper sich ja noch entwickelt und vor allem die Pubertät einer angestrebten Sportlerkarriere noch ein Schnippchen schlagen kann: Etwa wenn sich der Körper einer Leichtathletin durch die hormonelle Umstellung deutlich verändert.

Wie sich Muskeln und Sehnen beim Dehnen verändern, untersucht Tilp in seiner eigenen Forschung. Jüngstes Fazit: Deren Struktur ändert sich kaum. Trotzdem vergrößert Dehnen aber die Beweglichkeit und beugt Zerrungen vor. Es bringt also jedenfalls Vorteile – für alle Sportler.

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(Print-Ausgabe, 20.08.2016)

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