Warum verfärben sich die Blätter im Herbst bunt?

Bauen Pflanzen Chlorophyll ab, leuchten gelbe und rote Farbpigmente hervor. Die biologische Rolle dieses Prozesses entschlüsseln Forscher noch.

Während die letzten Blüten im Oktober verwelken, werden Sträucher und Bäume erst so richtig bunt. Laubgewächse verfärben sich, bevor sie ihre Blätter abwerfen. Beides hat mit dem rarer werdenden Licht zu tun, aber auch mit Trockenheit und Kälte. Das stresst die Pflanzen. Sie bauen Chlorophyll, also Blattgrün, ab. „Dadurch werden andere Blattpigmente wie Karotinoide oder Anthocyane sichtbar. Diese Naturstoffe sind für die rote und gelbe Farbe verantwortlich“, erklärt Bernhard Kräutler vom Institut für Organische Chemie der Uni Innsbruck. Ahorn- und Weinblätter bilden aber auch Spuren rosaroter Pigmente, vor allem, wenn die Blätter länger an den Pflanzen bleiben.

Dass Bäume sich verfärben und ihre Blätter verlieren, ist sogar aus dem Weltraum erkennbar. Letzteres ist für sie wichtig, um sich über den Winter regenerieren zu können. Aber auch, weil sie so Stürmen weniger Angriffsfläche bieten und Schneelast besser aushalten. Weniger Oberfläche schützt außerdem vor dem Austrocknen in der kalten Jahreszeit. Zuvor holen sich die Bäume aber noch Nährstoffe wie Stickstoff und Mineralien aus den Blättern zurück.

Bildet Gift für die Zelle

Aber welchen Zweck hat es eigentlich, dass die Blätter vor dem Abfallen bunt werden? „Chlorophyll kann eine gute und eine schlechte Funktion für das Blatt haben“, sagt Kräutler. Einerseits wandle es im Zuge der Fotosynthese Sonnenlicht in Energie um. Andererseits könne es aber bei Licht auch Zellgifte produzieren, wenn die Blätter zu welken beginnen. Wird das grüne, fotoaktive Blattpigment Chlorophyll abgebaut, entstehen farblose, fotoinaktive Verbindungen, die kein sichtbares Licht aufnehmen. Weil sie deshalb für unser Auge nicht wahrnehmbar sind, wurden sie lange nicht entdeckt.

Kräutlers Forschungsgruppe war vor 25 Jahren die weltweit erste, die dem Chlorophyllabbau in den Blättern auf die Spur kam. „Das Chlorophyll geht nicht einfach kaputt, das ist ein streng kontrollierter biologischer Prozess“, sagt er. Was dabei in den Pflanzen passiert, ist sogar verwandt mit Abläufen im menschlichen Körper: Während sich bei Bäumen aus dem Chlorophyll die sogenannten Phyllobiline bilden, entsteht aus dem Häm, dem roten Blutfarbstoff, das gelbe Bilirubin. Sichtbar wird das etwa bei einem sich verfärbenden Bluterguss oder bei der Gelbsucht.

Kräutler interessiert sich neben Blättern aber auch für Früchte. Gemeinsam mit seinem Team zeigte er, dass reifende, gelbe Bananen unter UV-Licht (umgangssprachlich auch als Schwarzlicht bekannt) blau leuchten. Derart bestrahlt lassen die kleinen braunen Flecken auf einer überreifen Banane sogar blau fluoreszierende Ringe erscheinen. Auch dieser Effekt stammt vom Abbau von Chlorophyll. Bei Äpfeln und Birnen, aber auch bei Brokkoli passiert Ähnliches, allerdings ohne blaues Leuchten. Wie in den Blättern wirken Chlorophyllabbauprodukte auch in diesen Früchten als Antioxidantien, die die Zelle schützen.

Immerhin 1000 Millionen Tonnen Chlorophyll bilden Pflanzen jedes Jahr auf der Erde und bauen es wieder ab. Ist das alles Abfall der Natur? Die Forscher bezweifeln das. Der Großteil landet zwar in den Vakuolen, den sogenannten Abfallbehältern der Pflanzenzelle. Die Wissenschaftler suchen in ihrer Arbeit aber nach Indizien für deren biologische Rolle, z. B. als Schalter für die Fotoregulation in Pflanzen. [ Foto: Stanger]

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2016)

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