Wie viele Schadstoffe finden sich in Innenräumen?

Der Mensch atmet täglich durchschnittlich 15 Kilogramm Luft ein. Was in diesem Stoffgemisch nicht lebenswichtig ist, kann Krankheiten auslösen.

Schlechte Luft belastet, führt zu Atemnot bis hin zu schweren Atemwegserkrankungen wie Asthma. Die meisten denken dabei aber wohl zuerst an Emissionen in der Umwelt, etwa im Straßenverkehr. „Die Feinstaubkonzentration kann in Innenräumen sogar höher sein als außen“, sagt jedoch Arschang Valipour vom Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD am Wiener Otto-Wagner-Spital. Denn auch Teppiche oder Vorhänge verursachen Abrieb. Dazu kommen Dämpfe von Lacken oder aus dem Leim von Möbeln oder Reinigungsmitteln. Und auch Schimmelpilzsporen, der Ruß von Kerzen oder Öfen sowie Pollen, die von außen – oder über Haustiere – hineingetragen werden.

All das nehmen wir ständig in die Lunge auf wie ein Staubsauger. Insgesamt 15 Kilogramm Luft atmet der Mensch jeden Tag ein – und nimmt damit deutlich mehr Luft zu sich als Nahrung (ca. ein Kilogramm) oder Flüssigkeit (ca. 2,5 Kilogramm). Wie viel davon schädlich ist, hängt davon ab, wo und wie wir wohnen und arbeiten: von den verwendeten Baustoffen, Möbeln und wie wir einen Raum heizen und lüften. Pauschale Mengenangaben zur Zusammensetzung gibt es daher nicht.

„Luft ist kein fixes Gasgemisch. Sie besteht nicht nur aus Sauerstoff, Stickstoff, Kohlendioxid und Edelgasen“, erklärt Thomas Schlatte, Sprecher der Plattform MeineRaumluft, die zum Thema sensibilisieren will. Ein Sukkus des Expertenforums zum Tag der gesunden Raumluft, vorgestern, Donnerstag: Es lohnt sich, darauf zu achten, was wir einatmen. Schließlich verbringen wir mit rund 90 Prozent einen Großteil unserer Zeit in Innenräumen: zu Hause, im Büro, aber auch in U-Bahn oder Supermarkt.

Die Experten fordern daher klare Standards für eine gute Raumluft – sowie für den Normalbürger verständliche Richtwerte und Kennzeichnungen. Feinstaub könne etwa die Aggressivität von Pollen verstärken, warnt Felix Wantke, Leiter des Floridsdorfer Allergiezentrums in Wien. Die Folgen treffen vor allem Personen mit chronischen Atemwegserkrankungen, Kinder und ältere Menschen.

Je kleiner, desto gefährlicher

Besonders gefährlich sind die kleinen Partikel: Der Mensch atmet Teilchen unter einer Größe von zehn Mikrometern Durchmesser, also weniger Tausendstel Millimeter, ein. Sind sie kleiner als 2,5 Mikrometer, können sie bis in die Lungenbläschen gelangen. Messen sie weniger als einen Mikrometer, können sie direkt in den Blutkreislauf übergehen. Damit steige das Risiko für Kopfschmerzen und Gedächtnisstörungen, aber auch für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Lungenkrebs, so Wantke. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jedes Jahr mehr als sechs Millionen Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung in Innen- und Außenräumen.

Die gute Nachricht: Die Luft in Innenräumen lässt sich beeinflussen. Einen Leitfaden mit Tipps, etwa zum richtigen Lüften, findet man etwa unter www.meineraumluft.at. Aber auch Rauchen – und genauso Passivrauchen – belastet die Raumluft, warnt Lungenspezialist Valipour. Den Konsequenzen begegnet er in seiner täglichen Arbeit in der Klinik. Rauchen sei zu 80 Prozent für die Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, COPD, verantwortlich, sagt er. Auch wenn ihm in der Forschung schon Erfolge, etwa mit Implantaten für die Lunge, gelungen sind, wäre hier vieles zu vermeiden. [ Foto: Soenne ]

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2016)

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