Wie sehr beansprucht Apportieren die Beine des Hundes?

Hunde belasten die Vorderbeine stärker, wenn sie etwas im Maul tragen. Man sollte ihre Gelenke daher regelmäßig kontrollieren lassen.

Der Schuss fällt. Auf Kommando startet der Hund los, um das erlegte Tier, meist Kleinwild wie Hasen oder Fasane, zu bringen. Retrieverrassen wie der Labrador oder der Golden Retriever wurden ursprünglich für die Jagd gezüchtet. Ein ausgewachsener Hund kann im Maul mehrere Kilo tragen. Wer sie heute artgerecht trainieren möchte, lässt sie kleine Gewichte apportieren.

Wiener Veterinärmediziner haben nämlich nun erstmals gezeigt, was beim Apportieren mit den Vorderbeinen passiert. „Bisher war unklar, ob sich die Belastung auf den ganzen Bewegungsapparat verteilt oder es zu einer einseitigen Belastung kommt“, sagt Barbara Bockstahler von der Klinischen Abteilung für Kleintierchirurgie der Vet-Med-Uni Wien. In ihrer Bewegungsstudie führten die Forscher in ihrem Labor zehn ausgewachsene, trainierte Retriever über eine zwei Meter lange Druckplatte. Tausende Sensoren erfassten dabei die Kraft, mit der die Hunde die einzelnen Beine aufsetzten. Diese trugen einmal kein Gewicht im Maul und dann jeweils ein halbes, zwei bzw. vier Kilo Gewicht.

Ungleichgewicht wird verstärkt

Das Ergebnis der kürzlich in der Fachzeitschrift „BMC Veterinary Research“ veröffentlichten Studie: „Das zusätzliche Gewicht belastete die Vorderbeine der Tiere. Sie kippen wie eine Wippe in der Bewegung nach vorn“, schildert Bockstahler. Die Tiere seien vorn immer schwerer und hinten immer leichter geworden.

Das verstärkt ein ohnehin vorhandenes Ungleichgewicht: Der Retriever trägt nämlich 60 Prozent seines Körpergewichts auf den Vorderbeinen und nur 40 Prozent auf den Hinterbeinen. Das ist bei den meisten Hunderassen so. Die Ergebnisse dürften sich also verallgemeinern lassen, so Bockstahler. Trägt ein ausgewachsenes, rund 30 Kilo schweres Tier rund vier Kilo Gewicht im Maul, müssen die Vorderbeine 75 Prozent des Gesamtgewichts abfangen. Dadurch drohen diesen Gelenks- oder Sehnenschäden, die Hauptlast bekommt das Ellbogengelenk ab.

Buchstäblich noch mehr ins Gewicht fällt das bei Jungtieren: Ein halbes Kilo Last beeinträchtigt den Bewegungsapparat des Jungtiers vergleichsweise mehr als dasselbe Gewicht bei einem erwachsenen Tier. Daher gelte es, das Training stets an den Hund und seine Bedürfnisse anzupassen. „Im Handel gibt es eigene, leichte Welpengewichte. Gute Trainer wissen das“, sagt Bockstahler. Außerdem rät sie, die Gelenke des Tieres regelmäßig von einem Veterinärmediziner untersuchen zu lassen. Das beherzigt sie auch bei ihren eigenen drei Labradorretrievern. Vor allem Hunde, die bereits an Gelenkproblemen leiden, sollten laufend kontrolliert werden.

Bockstahler befasst sich in ihrer Forschung mit – normalen und krankhaften – Bewegungsmustern von Hunden und Katzen, also etwa auch mit Lahmheiten. Typische Forschungsfragen sind: Wohin verlagern die Tiere bei Schmerzen ihr Gewicht? Wie verändert sich die Druckverteilung der Pfoten? Dabei interessieren die Forscherin lebensnahe Bedingungen: Wie ändert sich beispielsweise die Bewegung, wenn ein Hund in der Schräge geht? Meist würden Bewegungsanalysen – übrigens auch beim Menschen – bisher nämlich auf glattem, geraden Untergrund durchgeführt. „Man geht aber fast nie nur eben geradeaus“, sagt Bockstahler. [ Foto: Fotostudio Wilke]

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2017)

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