Forschungsfrage

Warum verherrlichen Menschen oft die Vergangenheit?

Arnd Florack, Psychologe.
Arnd Florack, Psychologe. (C) Leo Weibrecht
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In der Betrachtung der „guten alten Zeit“ klammern wir Unerfreuliches gern aus. Ein Schutz, der die Psyche vor zu viel Grübeln bewahrt.

Früher waren die Leute freundlicher, Beziehungen hielten länger, die Jugendlichen waren höflicher, und es gab weniger Störenfriede und Verbrecher. Das sind freilich Stereotype, doch in mancher Diskussion entsteht tatsächlich der Eindruck, dass einst alles einfacher, schöner – schlichtweg besser war. „Diese Verklärung entsteht aus der Neigung des Menschen, Dissonanzen, also Widersprüche und Spannungen, zu reduzieren“, erklärt der Psychologe Arnd Florack von der Uni Wien. Das Gedächtnis werde quasi immer wieder „glattgebügelt“, sonst würde man aus dem Grübeln nicht herauskommen.

Die Haken der Vergangenheit zu vergessen, erleichtert zugleich auch künftige Entscheidungen. Florack vergleicht das Phänomen mit einem Wald: Steht man direkt davor, erkennt man einzelne Äste und Blätter, aus einiger Entfernung aber nur eine große Gruppe Bäume. Das sei bei der Psyche ähnlich: Mit wachsendem zeitlichen Abstand verlieren Details an Bedeutung, Übergeordnetes werde als wichtiger wahrgenommen. Auch die Gefühle würden „weichgewaschen“: „Wir vergessen zwar nicht die großen, aber zumindest unangenehme kleine Emotionen.“ Dadurch erscheint die Vergangenheit positiver, als sie es vielleicht war. Damit verknüpft mag auch das sogenannte kontrafaktische Denken sein. Bei diesem „Denken entgegen den Fakten“ lösen sich Menschen erst mit zunehmendem Alter von der Was-wäre-wenn-Frage: Wie hätte ihr Leben aussehen können, wenn sie bestimmte Entscheidungen anders getroffen hätten.

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