Für die gewissen Momente im Alltag

Vergangenheit und Gegenwart, Bauwerk und Nutzung, vereint in funktioneller Verknüpfung: das „Medien Kultur Haus“ in Wels.

Das „Medien Kultur Haus“ in Wels war immer schon – das hat eine Installation im Herbst 2008: Painting the Medienkulturhaus nur auf die Spitze getrieben – eine schillernde Erscheinung. Vor 110 Jahren nach den Plänen des vorwiegend auf den Theaterbau spezialisierten Architekturbüros Fellner & Helmer errichtet, weckt der reich gegliederte zweigeschoßige Bau mit seinem auch hinsichtlich der Materialwahl üppigen Auftritt durchaus Verständnis für die in vielen Fällen unberechtigte Ablehnung, die dem Historismus über viele Jahrzehnte hinweg entgegengebracht worden ist. Am Denkmalcharakter des Hauses und seiner Bedeutung für die Innenstadt von Wels besteht jedoch kein Zweifel, und so treten die am „Medien Kultur Haus“ vorgenommenen, vor wenigen Wochen abgeschlossenen Adaptierungsarbeiten im Straßenraum vorwiegend durch die Sanierung des historischen Bestands in Erscheinung. Sie wurden von den Siegern eines Architekturwettbewerbes, den Architekten Gärtner + Neururer aus Vöcklabruck, geplant.

Die horizontale Teilung des Gebäudes – das Erdgeschoß ist verputzt, der erste Stock in Sichtziegelmauerwerk ausgeführt – erzählt von der ursprünglichen Zweiteilung seiner Nutzung als Sparkasse und Museum. Die Adaptierung hat die Multifunktionalität des Hauses noch wesentlich weitergeführt: Das „Medien Kultur Haus“ beherbergt neben dem mit Kulturvermittlung und Medienprojekten befassten mkh° die Galerie der Stadt Wels, ein Programmkino, YOUKI, Österreichs größtes internationales Jugend Medien Festival, den Verein REIZEND, das Lesekompetenzzentrum Buch.Zeit, einen Gastronomiebetrieb und das Kaiser Panorama, ein original erhaltenes stereoskopisches Rundpanorama. Es ist, als hätte das Haus in seinem gestalterischen Überschwang nur auf eine solche Mischung an Nutzungen gewartet. Tatsächlich haben Gärtner + Neururer sich in der Umdeutung des Bestands an die neuen Gegebenheiten vorgefundener Details und vieler mit der Entstehungsepoche verbundener Bilder bedient, um Vergangenheit und Gegenwart, Bauwerk und Nutzung nicht nur funktionell, sondern auch atmosphärisch sinnvoll zu verknüpfen.

Zunächst aber galt es, die Arbeit im „Medien Kultur Haus“ aus rein technischer Sicht auf eine professionelle Ebene zu heben. Die barrierefreie Zugänglichkeit aller Räume und eine Erweiterung des Raumprogramms auf dem knapp bemessenen Bauplatz waren zwei wichtige Voraussetzungen für die Adaptierung. Erstere haben Gärtner + Neururer durch die Errichtung eines flachen Rampenbauwerks vor dem Haupteingang an der Pollheimerstraße, eines neuen, in das historische Eichentor gesteckten gläsernen Portals und durch den Einbau eines Aufzugs geschaffen. Neue Flächen sind in einem schmalen zweigeschoßigen Zubau entstanden, der sich entlang der Grundgrenze erstreckt und durch eine Glasfuge und das Absenken seiner Traufkante dem Bestand Respekt erweist. Die in einem hellen Braunton gehaltene Putzfassade des zum öffentlichen Raum hin fensterlosen Körpers gibt nach außen keinen Aufschluss über seine Nutzung. Um diese zu erfassen, muss man sich in den durch den Zubau neu gefassten Hof begeben, der das Angebot des Kulturzentrums um einen kleinen, in Korrespondenz mit den Kanten des Bestands logisch entwickelten Außenraum erweitert.

Dieser intime Hof wird über seine gesamte Länge von einer Terrasse flankiert. Von einem Vordach aus Glas beschirmt, wertet sie den durch seine Glasfassade zum Hof hin orientierten Gastronomiebetrieb mit Freiluftplätzen auf. Da der Erdgeschoßfußboden des Zubaus sich auf gleicher Ebene mit jenem des historischen Gebäudes liegt, ist der natürliche Lichteinfall auch für das untere, ins Erdreich versenkte Geschoß des Erweiterungsbaus gegeben. Ein ebenfalls über die gesamte Länge des Hofs geführtes Fensterband lässt Tageslicht in die hier untergebrachten Arbeitsräume fallen und bietet gleichzeitig Einblicke in das hier stattfindende Geschehen. Diese enge räumliche Verknüpfung der unterschiedlichen Funktionen zu einer Einheit ist ein wichtiges Motiv, das auch Gärtner + Neururers Umgang mit dem Bestand geleitet hat.

Betritt man das „Medien Kultur Haus“ über seinen Haupteingang, gelangt man zunächst in ein Vestibül, dessen mit silbrig glänzenden Bossen geschmückte Putzoberfläche nun anthrazitfarben beschichtet ist. Damit wird der Kontrast zu dem sich dahinter öffnenden Hauptstiegenhaus effektvoll gesteigert. Dessen große Fenster haben Gärtner + Neururer im Einvernehmen mit dem Bundesdenkmalamt von ihren bunten Butzenscheiben befreit, was dem nun großzügig und hell wirkenden Raum über die reine Erschließungsfunktion hinaus auch Aufenthaltsqualität beschert hat. Von hier aus betritt man rechter Hand über die als Einschübe in die historischen Türgewände gestalteten Licht- und Schallschleusen die beiden Kinosäle. Auf der anderen Seite der Halle führt der Weg in das Restaurant, das bei Bedarf um ein multifunktionales Zimmer erweitert werden kann.

Das Deckengemälde des Stiegenhauses ist zurzeit hinter einer Installation verborgen. Sie befasst sich mit den Deckenuntersichten, die Fellner & Helmer ursprünglich für das Haus entwickelt haben, und ist bis ins Erdgeschoß, den Innenhof und die daran schließenden Räume wirksam. Im ersten Stock, der auch über den unmittelbar vom Haupteingang her zugänglichen Aufzug erschlossen wird, nimmt ein großer Ausstellungsraum den Nordflügel des winkelförmig angelegten Altbaus ein. Weiße Wände, ein heller Holzboden und eine schwarze Decke gewährleisten größtmögliche Freiheit in der Ausstellungsgestaltung.

Die kleineren, von Ateliers, Büros und dem erwähnten Kaiserpanorama belegten Räume des Obergeschoßes haben Gärtner + Neururer unter Berücksichtigung haustechnischer Erfordernisse noch näher an den Originalzustand herangeführt. Mit wenigen sparsamen Eingriffen, die sich in vielen Bereichen auf den Einsatz von Farben und Mustern beschränken, ist es hier wie in der gesamten Anlage gelungen, den Notwendigkeiten des Alltags unter der gebotenen Rücksichtnahme auf das Baudenkmal eine überraschende Dichte an sinnlichen Momenten abzugewinnen. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2012)

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