Lässig im neuen Anzug

In Eisenstadt ist Pichler und Traupmann einer der besten Kulturbauten Ostösterreichs gelungen. Ihr Medienzentrum in Wien hat dagegen kaum mehr Chancen auf Realisierung.

Ursprünglich sollten sie alle gleich aussehen: Acht Kulturzentren wollte der 1972 gegründete „Verein zur Planung, Errichtung und Erhaltung von Kultur- und Bildungszentren“ gleichmäßig über das Burgenland verteilen, alle geplant nach einem Grundkonzept des Architekten Matthias Szauer. Das erste entstand 1976 in Mattersburg, eine kraftvolle Sichtbetonarchitektur; bei wohlwollender Betrachtung ein Bau im Geist des „Brutalismus“, jener Architekturströmung der 1960er-Jahre, für die roher Beton, starke Plastizität und robuste Konstruktion charakteristisch waren.

Das 1981 fertiggestellte Kulturzentrum in Eisenstadt stammte zwar vom selben Architekten, dieser war aber in der Zwischenzeit vom Virus der historisierenden Postmoderne infiziert. Das Gebäude versuchte sich zum Stadtzentrum hin als abstrahierter Palast zu tarnen und war im ersten Obergeschoß über eine im Grundriss gekrümmte Brücke mit dem benachbarten Hotel verbunden.

Von dieser grotesken Anlage ist heute nichts mehr zu erkennen. 2009 gewannen die Architekten Johann Traupmann und Christoph Pichler den internationalen Wettbewerb für die Sanierung und Erweiterung des Kulturzentrums. Erhalten blieben vom Vorgängerbau der an sich gut funktionierende Saal und ein Treppenhaus. Die Brücke zum Hotel wurde abgebrochen, ein großer Gewinn für den Stadtraum, der so seinen selbstverständlichen Fluss wiedergewinnen konnte und das Kulturzentrum als eigenständigen Baukörper besser zur Wirkung kommen lässt.

Der Besuchereingang liegt am Franz-Schubert-Platz, zu dem sich auch die Hauptfassade des Gebäudes öffnet. Die Architekten haben dem Haus einen neuen Anzug aus Aluminium geschneidert, eine Netzhaut, die Altbau und Neubau geschickt zusammenfasst. Das glänzende Metall kommt dabei in unterschiedlichen Konfektionen zum Einsatz, einerseits als Streckmetallgitter, andererseits als Baumaterial für die Lamellen, die vor den Glaswänden des Foyers im Erdgeschoß und im ersten Stock als regulierbarer Sonnenschutz dienen. Lebendig wird die Fassade nicht zuletzt dadurch, dass hinter den scheinbar einheitlichen Oberflächen ganz unterschiedliche Ebenen zu erkennen sind.

An manchen Stellen ist das Streckmetall nur eine Verblendung, hinter der die schwarz gestrichenen Oberflächen des Altbaus zu sehen sind; an anderen Stellen sind die Außenwände hinter dem Gitter verglast und lassen die Tiefe des Hauses erahnen. Bei Nacht wird dieser Effekt naturgemäß verstärkt, und da sich die Betreiber eine recht aufwendige LED-Beleuchtung geleistet haben, die Farbenspiele aller Art möglich macht, darf das untertags silbergraue Haus bei Nacht auch ab und zu ein buntes Festkleid anlegen.

Stadträumlich klug ist die Idee, die Fassade zur Platzmitte hin niedriger zu machen und eine Terrasse anzuordnen, der ein vorkragender Baukörper im ersten Stock entspricht: ein erweitertes Foyer vor dem großen Saal und zugleich ein Regenschutz für den Eingang ins Haus. Auch die Terrasse ist kein isoliertes Element, sondern Teil eines komplexen Wegesystems, das vom Eingang über eine großzügige innere Treppe bis hinauf zu einer Dachterrasse mit wunderbarem Blick über die Stadt führt.

Neben dem großen Saal gibt es zudem einen neuen kleineren, der bei Bedarf nach einem großen zusammenhängenden Raum mit dem Foyer verbunden werden kann. Ein Geschoß tiefer als die Eingangsebene liegt die Burgenländische Landesgalerie, zu erreichen über eine breite Treppe mit Sitzstufen, die auch die Möglichkeit bietet, Vorträge abzuhalten. Mehrere Schichten von Glas garantieren die sichere und unabhängige Benutzung der einzelnen Bereiche, erlauben aber viele Durchblicke dazwischen und zum umgebenden öffentlichen Raum.

Pichler und Traupmann ist hier einer der besten Kulturbauten nicht nur des Burgenlandes, sondern ganz Ostösterreichs gelungen. Dass es sich um einen Umbau handelt, macht das Projekt noch bemerkenswerter, vor allem wegen des gelassenen Umgangs mit der alles anderen als hochwertigen Altsubstanz. Besonders an der Nordseite, wo der neue Anzug etwas lockerer sitzt, blitzen nicht nur die Oberflächen des Bestandsgebäudes hervor, sondern auch die Reste gestalterischer Absichten aus den 1980er-Jahren: etwa dick in Vollwärmeschutz gepackte Erker, die hinter dem Metallgitter wie abstrakte Skulpturen wirken.

Ob Pichler und Traupmann solche zufälligen Zusammenstöße tatsächlich mit Sympathie sehen, ist fraglich. Ihre Architektur hat sich in den letzten Jahren deutlich in Richtung eines organischen Determinismus entwickelt, der Bewegungsströme und städtebauliche Faktoren zum Anlass für fließende skulpturale Formen nimmt. Es ist kein Zufall, dass Johann Traupmann an der Universität für angewandte Kunst an der Klasse von Zaha Hadid unterrichtet. 2012 gewannen Traupmann und Pichler den Wettbewerb für das neue Medienzentrum der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien, den Schlussstein in der Verwandlung der ehemaligen Veterinärmedizinischen Universität im dritten Bezirk in einen Campus für diese künstlerischen Bereiche.

Der Entwurf war ein Raumkunstwerk, das die Jury ins Schwärmen brachte: „Einprägsame Raumsequenzen und die geschmeidige Abfolge von Wegen, kaskadenförmiger Treppe und kommunikativen Aufenthaltszonen inspirieren den Alltag der Studenten und das Raumerlebnis der Besucher.“ Die zukünftigen Nutzer zeigten sich weniger erfreut und brachten das Projekt zu Fall, nicht zuletzt mit der Forderung nach mehr Flexibilität und nach rechteckigen statt „dynamisch sinusförmigen“ Probesälen. In einem aktuellen Urteil bestätigte das Bundesvergabeamt in erster Instanz den Widerruf des Wettbewerbs durch die Bundesimmobiliengesellschaft.

Dass die Universität die Nutzer nicht von Anfang an ausreichend in die Planung einband und deren eigentliche Anforderungen erst zutage kamen, nachdem 84 teilnehmende Büros in Summe einen Millionen-Euro-Betrag in den Wettbewerb investiert hatten, ist ein Skandal für sich. Unabhängig davon wirft der Fall aber eine prinzipielle architektonische Frage auf, der sich jede Architektur Zaha-Hadid'scher Prägung stellen muss: Wie viel Spielraum bleibt den Nutzern in ihren nur auf den ersten Blick so „geschmeidigen“ Räumen? ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2013)

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