Harmlos im Burgtheater

Im Burgtheater sind die harmlosen Abende die hübschesten, und werden die harmlosen Stücke am besten gespielt; beides konnte man erst neulich wieder bestätigt sehen.

(Wien, am 14. Januar 1864) Im Burgtheater sind die harmlosen Abende die hübschesten, und werden die harmlosen Stücke am besten gespielt; beides konnte man erst neulich wieder bestätigt sehen, als das vieractige Gastspiel von Bauernfeld: „Der Vater“ neuerdings zur Darstellung kam. Schon ehe der Vorhang emporging, war das Publicum in einer unbefangenen, weil begierdelosen Stimmung, welche so wohlthätig als geheimnisvoll sich den Schauspielern mittheilt und dannangenehm verstärkt zu den Zuschauern zurückkehrt.

Wie sich die Leute still und genügsam auf ihren Sitzen niederlassen, wie sie deren Unbequemlichkeit nicht beachten, wie sich die ruhige Erwartung in den zur Unterhaltung bereiten Mienen spiegelt, wie die ehrenwerthen Musikanten im Orchester ohne Umschweife ein paar alte oder gar classische Melodien ableiern, wie niemand eines Schicksals gewärtig zu sein braucht, indem das anberaumte Stückweder außerordentlich gefallen soll, noch eine arge Niederlage erleiden kann: das alles mochte so Mancher im Burgtheater mit innerem Behagen gefühlt und betrachtet haben. Nicht der auf seinen Beruf oder sein Henkeramt stolzeste Referent in artikus dürfte an dem Abend in Versuchung gekommen sein, zu glauben, daß das aufzuführende Drama eigentlich deshalb über die Bretter gehen werde, damit er es recensire, und an keinem der Mimenbemerkte man die leisen moralischen Seitenblicke, welche dem drohenden Ungethüm Kritik gelten. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2014)

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