Gemeindezentrum Molln: Der solide Kern

Gesucht: eine Neuordnung des öffentlichen Raums und eine stärkere Beziehung der Ansässigen zu ihrem Lebensmittelpunkt. Gefunden: ein modernisiertes Gemeindeamt in einem Neubau, der eine zeitgemäße Verbindung zwischen Ort, Nutzung und architektonischem Ausdruck herstellt. Besuch in Molln, Traunviertel.

Den Versuch, das Erscheinungsbild der Marktgemeinde Molln im oberösterreichischen Traunviertel mit wenigen Sätzen zu umreißen, beginnen wir wohl am besten mit: Die etwa 3700 Seelen zählende Gemeinde liegt im landschaftlich höchst reizvollen Steyrtal am Fuß des Sensengebirges und somit des Nationalparks Kalkalpen. Und weiter: Das grandiose Kraftwerk Steyrdurchbruch des Otto-Wagner-Schülers Mauriz Balzarek aus dem Jahr 1908 befindet sich auf Mollner Gemeindegebiet. Schließlich merken wir noch an: Leider hat sich im Ort selbst sein meisterhaft geführter Dialog von Baukunst und Landschaftsraum als Vorbild über längere Zeiträume nicht durchgesetzt. Eine Übermacht Putzfaschen-bewehrter Wärmedämmfassaden und das wiewohl aus Holz errichtete Nationalparkzentrum sprechen eine andere, behäbigere Sprache.

Für dieses an Spannungen reiche Umfeld haben die in Vöcklabruck ansässigen Architekten Gärtner + Neururer eine Anlage geplant, die sich vor allem eines vorgenommen hat: die öffentlichen Räume des Ortes neu zu ordnen und so die Beziehung der Bürgerinnen und Bürger von Molln zu ihrem Lebensmittelpunkt zu stärken. Dieser hat, gemessen an anderen Gemeinden ähnlicher Größe, beträchtliche Substanz: Neben dem Kindergarten sowie der Volks- und der Hauptschule stehen auch eine Arztpraxis, eine Bankfiliale, die Kirche, das Pfarrheim und das Gemeindeamt in fußläufig bequem erreichbarer Distanz zueinander. Die räumliche Erweiterung und Modernisierung des Gemeindeamtes bei gleichzeitigem Neubau eines Probelokals für den örtlichen Musikverein waren Gegenstand des Architekturwettbewerbes, den Gärtner + Neururer für sich entscheiden konnten.

Ihr Projekt sieht einen rechteckigen, Nord-Süd-orientierten Platz vor, der mit dem ähnlich zugeschnittenen Kirchenvorplatz weiter im Norden korrespondiert. Der neue Platz sollte an seiner Südwestecke vom dreigeschoßig ausgebauten ehemaligen Postgebäude gefasst werden. Im Süden bildet das alte Gemeindeamt die Kante, während im Osten das neue Amtsgebäude den Platzraum schließt. Die Umformung des Postamtes in ein Gefüge aus Nahversorger, Gastronomie, Jugendtreffpunkt und Bibliothek wurde aus Kostengründen verworfen, sodass der Platz ohne starke Eckausbildung zur flankierenden Marktstraße verbleibt. Doch der Neubau wurde, wie geplant, errichtet und stellt nun in aller gebotenen Sparsamkeit eine zeitgemäße und nachvollziehbare Verbindung zwischen dem Ort, seiner Nutzung und ihrem architektonischen Ausdruck her.

Das neue Amtshaus steht zweigeschoßig im rechten Winkel zu dem ebenfalls zweigeschoßigen, mit einem Walmdach gedeckten Bestandsgebäude. Ein an seiner Westseite hinter die Flucht des Hauptgebäudes zurückgesetzter eingeschoßiger Trakt bildet den Übergang zwischen Alt und Neu. Im Erdgeschoß finden sich einige Räume an der östlichen Stirnseite des Altbaues dem neuen Gemeindeamt zugeschlagen. Der überwiegende Teil jedoch wird nun als Standort von Elternberatung und Seniorentreff sowie zu Wohnzwecken genutzt. Die funktionelle Zweiteilung des Neubaues wiederum ist in dessen Auftritt nach außen deutlich ablesbar: Im Erdgeschoß befinden sich, von roten Glaspaneelen und raumhohen Fensteröffnungen in rhythmischem Wechsel umhüllt, die Büros der Gemeinde.

Darüber liegt der – zugegeben „vollwärmegeschützte“ – flache Körper des Musikheimes, vom ebenfalls verputzten eingeschoßigen Verbindungstrakt an der Ostseite des Gebäudekomplexes ergänzt. Die Öffnungen in diesem Körper sind sparsam und mit Bedacht gesetzt. Ein wichtiges Element der Anlage ist die aus dem Betonsockel des Erdgeschoßes entwickelte, einige Stufen über den Vorplatz des Gemeindezentrums gehobene Freiluftbühne. Sie wird an ihren Stirnseiten von der Auskragung des Obergeschoßes im Süden und der einem Echo darauf gleichenden Sichtbeton-Loggia im Norden gefasst. Der über die gesamte Breite des Musikproberaumes im ersten Stock gezogene Balkon öffnet sich auf diesen für Veranstaltungen aller Art nutzbaren Freiraum und bereichert ihn um ein zusätzliches dramaturgisches Moment.

Die Freude der Architekten am Sichtbarmachen des Möglichen ist – von der einfachen Wegführung über das gezielte Herstellen von Sichtbeziehungen bis zur nachgeraden Verkörperung eines Vorganges durch Farbe und Form – im gesamten Haus höchst präsent. Diese stark auf die sinnliche Wahrnehmung von Architektur setzende Haltung stellt sich schon mit der unmissverständlichen Ausbildung des Haupteinganges – durchgehende Glasfassade bis auf Platzniveau, gläserner Windfang, schützendes Vordach – ein und begleitet uns verlässlich durch das Haus. Dem Eingang gleich gegenüber wartet das Empfangspult, dahinter, gebaute Offenheit eines Amtes, eine weitere Glasfassade; nicht zuletzt als Bindeglied zur anschließenden verputzten Wand. Die massiven, tragenden Elemente sind dunkel beschichtet; die Raumteiler farbig oder aus Holz, durch Glastafeln von der Konstruktion säuberlich getrennt.

Aus der zweigeschoßigen Eingangshalle steigt, mit wesentlich höherem Aufforderungscharakter ausgestattet als der schweigsame Körper des Aufzugs, die bunte Skulptur der Stiege zu den Räumen des Musikvereines hinauf. Der obere Treppenabsatz schaut mit seinem breiten Fenster noch einmal hinunter auf den Platz. Dahinter öffnet sich der große Proberaum und birgt die Musizierenden mitsamt ihrer Musik unter einem Mantel aus weißem Faltwerk vor dunklem Grund: beste akustische Bedingungen in einen räumlich anspruchsvollen Rahmen gesetzt. Der Musikverein Molln ist hocherfreut. Es heißt, er hätte in letzter Zeit wiederholt Preise gewonnen. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2014)

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