Damals schrieb Ausstellung des Kunstvereins

Wien, 14. Mai 1864. Akademie und Kunstverein wetteifern diesmal in classischen Motiven. Während der nordische Wonnemond uns noch mit Eisblumen beschenkt, lacht in ihren Ausstellungssälen heiterer griechischer Himmel. Dem Waldgott Pan, der die weinende Psyche tröstet, in der Akademie, stellt der Kunstverein die urwüchsige, geisterfrischende homerische Landschaft, dem Friese, welches den Sieg der Cultur in der hellenischen Menschheit feiert, das Urbild der meerentstiegenen Venus von Medici zur Seite, dessen Schönheit die Herzen feindseliger Richter zur Milde zwingt.

Seit den Zeiten der weimarischen Kunstfreunde und der Goethe'schen Propyläen haben Künstler wie Flarman,Carstens, Cornelius der Darstellung homerischer Menschen mit Liebe sich zugewendet. Es ist gewiß nicht zufällig, daß der glückliche Gedanke landschaftlicher Darstellung homerischer Natur von einemWeimarer Künstler, Friedrich Preller, ausgeht. Je näher der Mensch selbst noch der Natur steht, destomehr trägt er die Züge der ihn umgebenden Natur. Der homerische Naturmensch der griechischen Heldenzeit entsprang einer großartig naiven unverkünstelten Umgebung. Die biblischen Landschaften Schirmer's, welche vor einem Jahre an demselben Platze hingen, welchen jetzt Preller's griechische einnehmen, stellen den morgenländischen, Preller's homerische Stellen den abendländischen Menschen auf einer Culturstufe dar, die sich wenig vom Naturboden entfernt hat. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2014)

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