Damals schrieb Sanssouci: Zu klein für zwei

Wien, 11. Juni 1864.

Im vergangenen Jahrhundert hat es vom Tode Ludwig's XIV. von Frankreich (1715) bis zum nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg und dem Aufblühen der deutschen Literatur keine berühmteren Namen gegeben, als den Friedrich's von Preußen und Voltaire's. Nach ihnen sollte man diese Epoche nennen. Das Schwert des Königs, das Wort des philosophischen Dichters beherrschten die Welt. Brüderlich einen kurzen Zwist ausgenommen, haben sie sich in diese Herrschaft getheilt. In diesem Streit hatte der Eine so viel Recht oder Unrecht wie der Andere; Sanssouci war eben zu klein für sie beide; ohne Zweifel trägt Voltaire die Schuld des Angriffs; er reizte und verteidigte die Eigenliebe des Königs, aber wiederum vergaß sich dieser so weit, gegen den Dichter seine Polizei aufzurufen.

Voltaire lernte die englischen Deisten Toland und Tindal kennen; er sah Shakspeare's Dramen auf dem Londoner Theater, und wurde der Freund Bolingbroke's. In England schrieb er sein Gedicht: „La Henriade“, die Verherrlichung Heinrich's IV., des besten Königs von Frankreich. Die Subscription, die er auf dieses Werk begann, legte den Grund zu seinem Vermögen; er soll weit über 100,000 Francs jährlicher Einkünfte gehabt haben. 1735 kehrte er heimlich nach Frankreich zurück, und lebte meist, mit gelegentlichen Besuchen in Paris, Sceaux und Luneville, auf dem Schlosse Cirey, das seiner Freundin, der Marquise Emilie du Chatelet gehörte. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2014)

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