Kann das gesund sein?

Die Rezepte und ein paar Zutaten vom Spitzenkoch, zubereitet wird bei der Fastfoodkette. Wenn der Architekt seine Schuldigkeit getan hat: das Private-Public-Partnership-Modell.

Es wird der wichtigste Kulturbau sein, den die Stadt Wien in eigener Verantwortung seit über 50 Jahren realisiert: die Erweiterung des Wien Museums am Karlsplatz. Noch heuer soll der Wettbewerb über die Bühne gehen, bis Jahresende könnte ein Generalplaner feststehen, der das Projekt vom Entwurf bis zur künstlerischen Oberleitung betreut, inklusive aller nötigen Zwischenschritte wie Ausführungs- und Detailplanung. Es ist das Modell, das große öffentliche Bauherren wie die Bundesimmobiliengesellschaft seit Jahrzehnten erfolgreich praktizieren. Doch Wien ist anders: Das Museumsprojekt soll „PPP-tauglich“ sein, also eventuell im Rahmen eines sogenannten Private-Public-Partnership-Modells realisiert werden. In diesem Fall – so erklären die juristischen und wirtschaftlichen Berater der Stadt Wien – könne den Siegern des Wettbewerbs nur eine Beauftragung von Entwurfs- und Einreichplanung und einigen Leitdetails garantiert werden. Alle weiteren Planungsstufen müssten vom privaten Partner verantwortet werden. Den Architekten könnte nur eine Beraterrolle auf der Seite der Stadt eingeräumt werden, aber keine Verantwortung für die finale Detailplanung und künstlerische Oberleitung.
Was treibt die Stadt Wien dazu, sich auf ein Verfahren einzulassen, das man mit dem Versuch vergleichen könnte, für ein Festessen (also das Museum) das Rezept (den Entwurf) und ein paar ausgewählte Zutaten (die Leitdetails) in einem Spitzenrestaurant einzukaufen und dann die Zubereitung einer Fastfoodkette zu überlassen. Ob unter diesen Bedingungen internationale Spitzenarchitekten, für die eine weitgehende Kontrolle über ihre Projekte selbstverständlich ist, überhaupt am Wettbewerb teilnehmen werden, ist fraglich.

Woher kommt die Motivation der Stadt, sich auf dieses Risiko einzulassen? Die Antwort führt in einen Dschungel volkswirtschaftlicher und juristischer Sachzwänge, die ihren Ausgangspunkt bei der Lage der öffentlichen Finanzen haben. Dazu kommt die ideologisch belastete Frage, ob die öffentliche Hand oder private Unternehmen besser mit dem Geld der Steuerzahler umgehen. Die Idee von PPP-Modellen stammt nicht zufälligerweise aus Großbritannien, wo Tony Blairs New Labour nach ihrem Wahlsieg 1997 die Idee eines Dritten Wegs propagierte, der eine stärkere Beteiligung privater Investoren an öffentlichen Aufgaben vorsah, als Partnerschaft, im Unterschied zur radikalen Privatisierung der Thatcher-Ära. Bis zu 20 Prozent günstiger – so lautete das Versprechen – könnten Projekte werden, wenn sie der trägen Beamtenschaft entzogen und agilen Privaten übertragen werden.

Die Realität sah freilich anders aus. Ein Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments kam 2011 zum Ergebnis, dass Nachforderungen der Investoren die Regel sind. Zu einer ähnlich kritischen Haltung kam 2014 der Deutsche Bundesrechnungshof, der mittels PPP errichteten Autobahnprojekten Mehrkosten in Milliardenhöhe im Vergleich zu einer öffentlichen Umsetzung attestierte. Befürworter des Modells sprechen von einzelnen Negativbeispielen und sehen den zentralen Vorteil von PPP in der höheren Kostenwahrheit, da der Private einen realistischen Fixpreis zusagen muss. Öffentliche Auftraggeber würden stattdessen oft mit zu niedrigen Budgets in ein Projekt starten und danach nicht die Kosten minimieren, sondern ihren Arbeitsaufwand und ihr politisches Risiko.

Die anhaltende Attraktivität von PPP-Projekten hat freilich andere Gründe: Im PPP muss sich die öffentliche Hand nicht in der Höhe der Projektkosten verschulden, sondern für eine Zeitspanne von 20 bis 30 Jahren ein jährliches Nutzungsentgelt zahlen, wobei das Objekt am Ende in den Besitz der Stadt übergeht. Mit dieser Konstruktion belastet das Projekt die öffentliche Verschuldung Österreichs, zu deren Beschränkung auf 60 Prozent des BIP sich die Republik im Rahmen des Euro-Stabilitätspakts verpflichtet hat, nur im Rahmen der Jahresrate.

Gemessen wird dieser Wert von der Statistik Austria nach Regeln, die von ihrem Äquivalent auf EU-Ebene, der Eurostat, vorgegeben werden und im europäischen System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG 2010) ihren rechtlichen Rahmen haben. Diese Regeln zielen darauf ab, Scheinkonstruktionen, bei denen sich die öffentliche Hand der Privaten nur bedient, um die Schuldenbremse zu umgehen, von „echten“ PPP-Projekten zu unterscheiden. Zentrales Kriterium ist das Risiko, das der Private übernimmt. Dabei müssen drei Risken eindeutig dem Privaten zugeordnet werden: das Baukostenrisiko, das Verfügungsrisiko und das Finanzierungsrisiko. Der letzte Punkt bedeutet, dass die öffentliche Hand für die Kredite des Privaten nicht haften darf; der zweite, dass Zeitverzögerungen zu Lasten des Privaten gehen; und der erste, dass Baukostenüberschreitungen nicht an die öffentliche Hand weitergegeben werden dürfen.
An diesem Punkt setzt die verzwirbelte Kette der Sachzwänge an, wie sie die Berater der Stadt argumentieren. Wird der Private dazu verpflichtet, die Architekten aus dem Wettbewerb weiter zu beauftragen, könnte der Umstand eintreten, dass der Private eine Baukostenüberschreitung auf eine fehlerhafte Ausführungsplanung der Architekten zurückführt und die Mehrkosten der öffentlichen Hand zu verrechnen versucht, die ihn ja „gezwungen“ hat, diese Planer zu beauftragen. Dieser Fall ließe sich zwar vorab in einem Vertrag zwischen der Stadt und dem Privaten explizit ausschließen.
Allerdings könnte eine solche Regelung in einem Zivilprozess nach § 879 ABGB von einem Richter als „sittenwidrig“ eingestuft und aufgehoben werden. Würde nun der Private auf diesem Weg Mehrkosten erfolgreich einklagen, hätte er einen Teil des Baukostenrisikos auf die öffentliche Hand abgeschoben – und dann könnte der Fall eintreten, dass die Statistik Austria das Projekt nicht als „echtes“ PPP-Projekt anerkennt und der Schuldenstand der Stadt um die Projektkosten ansteigt.

Die vielen Konditionalsätze in dieser Argumentation bedeuten vor allem eines: Die Stadtregierung kann den privaten Partner mit gutem Gewissen dazu verpflichten, die Gewinner des Architekturwettbewerbs mit der weiteren Planung zu beauftragen. Sie müsste dafür allerdings tun, wofür sie gewählt ist: politische Verantwortung übernehmen. Die im letzten Herbst veröffentlichten „Baukulturellen Leitlinien“ der Stadt sollten als Motivation ausreichen. Immerhin versprechen sie „qualitätsorientierte Prozesse für die Planung aller Bauten im Einflussbereich der Stadt Wien“.

Es geht hier nicht nur um das Wien Museum. Acht neue Wiener Campusschulen und zahlreiche andere Sozialbauten sollen in den nächsten Jahren als PPP-Projekte umgesetzt werden. Es wird Mut zur Qualität und die Bereitschaft brauchen, im Rahmen der Möglichkeiten des ESVG neue Modelle der maastrichtneutralen Finanzierung und Umsetzung, die es sehr wohl gibt, zu entwickeln. Vor dem Restrisiko in die Knie zu gehen, ist jedenfalls kein gesunder Weg. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2015)

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