Die Moderne von Malinska

Historische Hotelanlagen kann man auf Krk und anderen kroatischen Ferieninseln entdecken. Eine Ausstellung im Wiener Ringturm bietet bis 23.Oktober einen Überblick über das reiche architektonische Erbe Kroatiens von der Antike bis zu zeitgenössischen Bauten.

Lachende junge Mädchen mit Badehauben schwimmen im Meer oder winken von der Dachterrasse in die Kamera. Die Insel Krk war schon in den 1930er-Jahren ein beliebtes Sommerziel. Die schwarzweiße Mehrbildansichtskarte, die aus der Sommerfrische nach Hause geschrieben wurde, ging in die Tschechoslowakei. Sie zeigt Szenen aus dem im Jahr 1931 im schönsten weißen Funktionalismus gebauten tschechischen Kinderferienheim im Inselort Malinska. In der Ersten Republik zählten Tschechen zu den wichtigsten Adria-Touristen. Das Land stand wirtschaftlich gut da, das Bürgertum war unternehmungslustig und neugierig – und auch architektonisch anspruchsvoll. Daher finden sich, ganz besonders in Malinska, zahlreiche weiß verputzte Würfel und Quader, die bei Einheimischen und Lokalhistorikern als „tschechische Häuser“ gelten. Als Wiener fühlt man sich heute an Adolf Loos und seine Schüler erinnert, an die Werkbundsiedlung und Josef Frank.

Schon zu Zeiten der Monarchie engagierten sich nicht nur Österreicher, sondern auch Ungarn und Tschechen an der östlichen Adria. Sie kamen nicht nur als Touristen, sondern auch als Investoren, die Architekten und Gäste mitbrachten. Während besonders Baška am Südende von Krk – mit Hotels namens Zvonimir, Praha und Dalibor – als Meereszugang der Tschechen galt, war die Insel Rab (Arbe) fest in österreichischer Hand.

Crikvenica hingegen, auf der Höhe von Krk auf dem Festland gelegen und damit noch im Einzugsbereich der Südbahn, galt als ungarischer Badeort. Der Architekt Kálmán Rimanóczy entwarf 1906 das Hotel Miramare, heute die traurige Ruine eines eleganten Jugendstilbaus, der seiner Revitalisierung harrt. Bereits 1895 eröffnete Dr. Heinrich Ebers' Wasserheilanstalt, späterHotel Erzherzog Joseph, dann Palace Hotel Therapia, ab 1946 Hotel Moskva, nach der Lösung Tito-Jugoslawiens von Stalin Hotel Terapia, seit 2014 als Kvarner Palace einprunkvolles Grand Hotel, das an seine historischen Namen in Form eines Fußbodenmosaiks in der Lobby erinnert. Die 1930er-Jahre brachten dem malerischen Seebad zahlreiche funktionalistische Sommerhäuser mit Terrassen und Flachdächern, darunter ein Haus des kroatischen Adolf-Loos-Schülers Zlatko Neumann.

Auch die Insel Lošinj (Lussin) zehrt noch heute von ihrer kaiserlich- und königlichen Vergangenheit. In der idyllischen Čikat-Bucht (Cigale) bauten Wiener Architekten wie Rudolf Goebel und Alfred Keller rund um Kaiserin Elisabeths Villa Carolina ihr Insel-Abbazia aus Sommerhäusern und Pensionen mit Türmchen, Balkonen, Erkern und Namen wie Osternig-Wienerheim, Mirasole, Fritzi, Hygiea, Favorita, Cyclamina, Flora, Steinhäusl, Ilona und Alhambra. In Veli Lošinj (Lussingrande) wurden die Kuranstalt Maria Amalia für Wiener Mädchen und das Seehospiz der Stadt Wien errichtet, und auchin Mali Lošinj (Lussinpiccolo) hießen die Hotels Marienbad und Vindobona.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Lošinj als damals italienisches Bad von der Fremdenverkehrswirtschaft vernachlässigt, während Krk einen touristischen Aufschwung erlebte. In Malinska entstanden die weißen Flachdach-Quader der Hotels Slavija, Strnad und Malin. Der auf Krk geborene Architekt Kazimir Ostrogović brachte mit dem Haus Einwalter die Moderne Le Corbusiers nach Malinska. Ostrogovićs Sommerhaus Koch, das heute als Ferienhaus zu mieten ist, entpuppte sich als Arbeitsplatz eines deutschen Spions, als der Bauherr 1942 seine Wehrmachtsuniform anlegte – er hatte von seinem Haus aus Lichtsignale in das italienische Rijeka (Fiume) gesendet.

Die Moderne von Malinska wurde nach Kriegsende neu codiert. Die „tschechischen Häuser“ wurden unter Tito zu Ferienheimen staatlicher Betriebe umfunktioniert, auch die tschechische Kinderferienkolonie nutzte nun jugoslawischer Arbeiternachwuchs. An die 1936 neben dem Kinderheim gebaute Pension Haludovo dockte Anfang der 1970er-Jahre ein gigantisches Ferienresort an – das heute als berühmteste Hotelruine Ex-Jugoslawiens gilt. Der weiträumige Komplex nach Entwürfen des Architekten Boris Magaš eröffnete 1972. Er umfasste Hotels, Ferienwohnungen und Atriumhäuser verschiedener Kategorien, dazu Infrastruktur mit diversen Restaurants, Cafés, Grills, Diskotheken, mit Frei- und Hallenbad und einem Casino. Internationale, vor allem amerikanische, Klientel sollte die Involvierung des „Penthouse“-Gründers Bob Guccione bringen.

Der Jugoslawien-Krieg, der den Tourismus an der östlichen Adria zum Erliegen brachte, bedeutete das Ende der Glamour-Phase von Malinska. Nach Krieg und Flüchtlingsbelegung blieb vielen der Hotels nur der Leerstand. Zu hohe Investitionen wären nötig gewesen, um die Infrastruktur der kleinen, schlicht bis karg ausgestatteten Hotelzimmer, meist ohne Bad, aufzuwerten – die Hotelgäste würden ohnehin jeden Tag im Meer baden und brauchten daher keine eigenen Badezimmer, war noch Kazimir Ostrogović überzeugt. Nach dem Ende auch der sozialistischen Betriebsferienheime ist Haludovo heute nur die bekannteste der zahlreichen Ruinen, die den Strand von Malinska säumen. Auch das tschechische Kinderheim verfällt mehr und mehr – ob es noch einen Retter findet, scheint fraglich.

Neue Hotelarchitektur in Kroatien orientiert sich, dem freien Markt ohne staatliches Regulativ ausgeliefert, allzu oft an den simplen Anforderungen architektonisch anspruchsloser Investoren, die die subtilen Landschaftsbezüge und raumplanerischen Qualitäten ihrer Vorgänger vermissen lassen. Dennoch entsteht, oft an touristisch weniger prominenten Standorten, qualitätvolle Architektur. Auf Krk ist dies vor allem dem aus der Gegend stammenden Architekten Idis Turato zu verdanken. Unter anderem sind im gleichnamigen Hauptort der Insel nach den Entwürfen von Turato und seinem Büropartner Saša Randić seit 2002 ein Kindergarten sowie die Mittelschule des Ortes entstanden, zu der jüngst eine neue Sporthalle gekommen ist – ein Highlight zeitgenössischer Architektur am Rande der von einer Stadtmauer umgebenen historischen Altstadt und in vorbildlicher, Hoffnung machender Harmonie mit ihr.

Einen sehenswerten Überblick über die jahrtausendealte Baukultur von Krk und anderen kroatischen Inseln bietet noch bis 23.Oktober eine Ausstellung im Ringturm. Krk ist hier nur eines von zahlreichen Beispielen für einen Landstrich, der mehr zu bieten hat als Strand und Meer. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

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