Damals schrieb Das Notariat

Wien, 18. October 1865. Bis 1850 besaßDeutsch-Oesterreich kein Notariat; erst der Justizminister v. Schmerling, der derzeitige Präsident unseres Obersten Gerichtshofes, verpflanzte diese Institution auf heimatlichen Boden. Man kann zwar kaum behaupten, daß der Mangel derselben tief empfunden wurde, allein daß die Einführung des Notariats hierlands aus einer Zeit datirt, in welcher die österreichische Justiz-Gesetzgebung einen mäßigen Fortschritt machte, sollte wol genügen, um über dieses Institut nicht so leichtfertig den Stab zu brechen. Dazu kommt, daß dieses Institution in jenem Staate seit Jahrhunderten besteht und gedeiht, und daß sie auch in anderen Staaten, deren Gesetzgebungen auf der Höhe der Zeit stehen, eingeführt wurde. Diesen Erscheinungen gegenüber bedarf es einer Prüfung, ehe man entscheidet, ob man jener Institution nach so kurzer Lebensdauer den Todesstoß versetzen soll.

Es ist wahr, die Zahl jener, welche ihre Angriffswaffen gegen das österreichische Notariat kehren, ist keine geringe, allein nicht wenige Institute, die in den ersten Decennien ihrer Existenz auf eine mächtige Opposition stießen, faßten immer mehr Wurzel, und wurden von späteren Generationen als eine Wohlthat begrüßt. Neue Institute rufen in gewissen Kreisen eine derartige Umgestaltung der Verhältnisse hervor, daß nicht Wenige hiedurch sich in ihren Interessen gefährdet erachten, und sofort nach dem Inslebentreten der neuen Institution ein recht artiges Oppositions-Contingent bilden. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.