Auf dem Weg zum Klassiker

Mit einfachen, feinen Bauten im kleinen Vorarlberg heimst der Architekt Bernardo Bader Preise ein, die ihm internationale Anerkennung bringen. Zuletzt die Auszeichnung „Haus des Jahres 2015“ für ein Objekt namens „Behauste Scheune“. Brief an einen Vielgeehrten.

Geschätzter Bernardo Bader, Ihre Arbeit als Architekt stößt auf mein ungebrochenes Interesse, seit ich in einer für den Anlass erstaunlich kleinen Zeitungsnotiz las, dass einem gewissen Bernardo Bader den „Aga Khan Award for Architecture“ zugesprochen wurde, und zwar für den Entwurf des islamischen Friedhofs in Altach. Das war 2013, und ich muss gestehen, dass ich bis dahin weder etwas gehört hatte von einem Architekten namens Bernardo Bader noch von der Gestaltung eines Friedhofs in Vorarlberg, die für einen so hochrangigen Preis der islamischen Welt – vergleichbar mit dem amerikanischen Pritzker-Preis – in Betracht gekommen wäre. Seitdem weiß ich, dass Sie aus Vorarlberg kommen, dass Sie in Innsbruck Architektur studierten, dass Ihre Lehr- und Wanderjahre Sie auch nach Paris ins Büro von Dietmar Feichtinger geführt haben und dass Sie ein eigenes Büro in Dornbirn leiten.

Ihr Œuvre, Ergebnis der Arbeit von nicht viel mehr als einem Jahrzehnt, erstaunt sowohl in seinem Umfang wie auch in seiner durchgängigen Qualität, soweit Bildmaterial diese wiedergeben kann, und die Anzahl renommierter nationaler und internationaler Preise, die Sie für Ihre Einfamilienhäuser, Kindergärten, Schulen und eben auch Friedhofsgestaltungen bis jetzt erhalten haben, ist beeindruckend.

Nun wurde Ihr Wohnhaus für eine junge Familie, das Sie „Behauste Scheune“ nennen, auch zum „Haus des Jahres 2015“ gekürt – eine Auszeichnung, die vom Callwey Verlag in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architekturmuseum zum fünften Mal vergeben wurde und, ja, die zum ersten Mal nach Österreich ging.

Anlässlich einer kurzen Fachreise zu Holzbauten in Vorarlberg wollte ich nun Ihre Arbeit an Ort und Stelle besser kennenlernen und Ihr jüngst ausgezeichnetes Werk hier, auf dieser wöchentlich der Baukultur gewidmeten Seite, präsentieren. Meine Anfrage in Ihrem Büro zur Besichtigung des Wohnhauses wurde mit einer Begründung abgewiesen, die nachvollziehbar ist: Die Bewohner seien vor Kurzem Eltern geworden und bräuchten ihre Privatsphäre. Doch was tun, wenn man als Architekturkritikerin aus Prinzip nicht über Bauten schreibt, die man nicht eingehend besichtigen konnte? Ihr Bürohatte mich mit umfangreichem Bild- und Textmaterial versorgt, und auf unserem Reiseplan stand die Besichtigung von drei anderen, von Ihnen geplanten Bauten.

Doch unumgänglich für eine fundierte Auseinandersetzung schien mir die Möglichkeit, Ihnen gezielt Fragen über die Motive und Umstände Ihrer Arbeit stellen zu können. Ich wollte Hintergründe erfahren, um dieses preisgekrönte Haus in einen Kontext zu betten, um seine Qualität zu verstehen und beurteilen zu können. Die Veröffentlichungen zur Preisvergabe, die mir von Ihrem Büro überlassen wurden, schienen mir allesamt Auszüge aus einer Presseaussendung zu sein. Die Wiederholung des immer Gleichen wollte ich keinesfalls, unmöglich aber auch, von Ihnen einen Gesprächstermin oder auch nur ein Telefoninterview zu bekommen.

Jenen, die mit dem Brustton der Überzeugung behaupten, dass jedes Gebäude innerhalb zeitlicher und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und Diskurse einem Qualitätsurteil standhalten muss, ohne dass man konkrete Anforderungen an Bauaufgabe und Bau kennt und vom Bauprozess und seinen Widrigkeiten Kenntnis hat, kann ich nur bedingt zustimmen. Es ist erhellender und spannender, Geschichten um die Genese eines Hauses zu erfahren und es dann unter unterschiedlichsten Aspekten zu betrachten.

Nun also doch der Versuch, die Qualität der „Behausten Scheune“ in Doren fassen zu können: Wir sehen ein breit und satt auf eine Wiese gesetztes Bauvolumen mit wenigen Öffnungen, die in ihrer Höhe und Proportion wohl aufeinander abgestimmt sind. Äußerste Reduktion in der Gestaltung – kein Dachvorsprung, keinerlei Zierrat – lässt auf ein Gebäude mit landwirtschaftlichem Nutzen schließen. Aber es ist, wie vorangestellt, ein Wohnhaus für eine noch kleine Familie. Hat man die Möglichkeit, eine Serie von Bildern anzuschauen, die auch die beiden vom Betrachter abgewandten Seiten des Hauses und Innenräume zeigen, so kann man erkennen, dass die vom Dorf abgewandte Seite, mit Blick ins freie Feld, große verglaste Öffnungen zu einer ins Volumen eingeschnittenen gedeckten Terrasse hat. Kein Vorsprung, keine Nebenbauten, etwa für eine Garage. Diese ist ein integrierter Teil des Erdgeschoßes, in dem zurzeit gekocht, gewohnt und geschlafen wird.

Hätte ich die Möglichkeit gehabt, Sie als Architekt zu befragen, die Frage lautete: War die Entscheidung, die Garage ins Haus zu integrieren, eine formale, um den Baukörper kompakt und stringent zu formen? Ihre mögliche Antwort finde ich in einer Beschreibung, die Sie selbst unter „Sehnsucht nach poetischer Normalität“ zu diesem Haus verfassten. Es schien Ihnen wichtig, sich der sparsamen und funktionellen Tugenden des traditionellen Bregenzerwälder Hauses zu bedienen. Das alte Bauernhaus in familiärem Besitz, an dessen Stelle Sie das neue setzten, vereinte Wohnen und landwirtschaftliche Funktionen unter einem Dach.

Sie schreiben auch, dass ein mit dem Geist des alten Hauses und dem Ort verwachsener Bau das erklärte Ziel war. Damit und nicht nur mit geringeren Kosten ist zu erklären, dass das Holz im eigenen Wald ausgesucht und beim „richtigen“ Mond geschlägert, gesägt und verbaut wurde. Dass der Holzboden, der überall im Haus verlegt ist, aus den Balken und Dielen des abgetragenen Hauses gesägt wurde.

Jener aus der früheren bäuerlichen Lebensweise und Bautradition kommenden Einstellung zu Einfachheit, Zurückhaltung und Angemessenheit ist wohl auch der Umstand geschuldet, dass es in diesem Haus zwischen dem jetzt bewohnten Erdgeschoß und dem später noch auszubauenden Dachraum keine visuelle Verbindung gibt. Unten ist unten, und oben ist davon ganz getrennt, verbunden nur durch eine schmale, einläufige Treppe zwischen Wänden. Befragen kann ich Sie dazu nicht, aber ich glaube zu erkennen, dass auch dies ganz auf die Bedürfnisse der Bauherren zugeschnitten ist.

Selbstverwirklichung als Architekt ist Ihre Sache nicht. Was Sie vorgeben und offensichtlich auch von Ihren Bauherren verlangen, ist, einen Weg mit Ihnen zu gehen, der zu einer Klarheit und Modernität führt, die sich zwar an Traditionen orientiert, diese Grundgedanken aber mit heutigen Materialien wie Sichtbeton und heutigen Mitteln der Bearbeitung transformiert. Was daraus entsteht und an diesem einfachen Haus gut ablesbar ist, drückt eine überraschende Dualität aus: Kritischer Regionalismus in Holz paart sich mit Innenräumen, die moderner nicht sein könnten. Diesen Eindruck hautnah zu erleben, blieb mir vorenthalten. Mit Gruß auf ein Später, wenn Jahre ins Land gezogen sind und Ihre Häuser Klassiker geworden sind! ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2015)

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