Damals schrieb Die Freimaurer in Tirol

Wien, 18. Februar 1866. „Protestanten und Freimaurer!“ so lautet das wüsteFeldgeschrei, mit welchem unsere Ultramontanen die glaubenseinheitliche Bevölkerung schrecken, indem sie mit wohlberechneter Heuchelei versichern, Tirol sei bisher noch nie mit jenem Unflath besudelt worden, und man müsse daher die alte Jungfräulichkeit des Landes unversehrt zu Nutz und Frommen gewisser Leute erhalten. Wer die Unwissenheit des Volkes als Factor in Rechnung setzt, fehlt selten, und so war es vergebens, mit der Fackel der Geschichte die finsteren Blutgerichte zu erhellen, durch welche der Protestantismus in Tirol zugrunde ging, die Märtyrer zu zählen, welche der Folter erlagen. Unsere Glaubenseinheitler haben sich der Väter, welche für eine eigene Ueberzeugung einstanden, und nicht das zweifelhafte Verdienst erwarben, Menschen von anderer Ueberzeugung zu verfolgen, nicht zu schämen; daß der Protestantismus in den abgelegenen Winkeln des Gebirges aufflackerte und erstickt wurde, ließe sich aus den Schriften der Clericalen beweisen. Es sind noch nicht viele Jahre verflossen, seit man die Zillerthaler ausjagte; wir können unsere gläubigen Brüder darüber nicht beruhigen, ob nicht ein zurückgebliebenes Fünklein zu hellem Licht auflodere.

Gegen die Protestanten ist jedoch der Grimm lange nicht so groß; die Mucker und Pietisten sind ja ein dem Ultramontanismus verwandtes Element, als gegen die Freimaurer, die gar nichts glauben. Gab es jemals Freimaurer in Tirol? Frohlockt, es gab Freimaurer, aber jetzt gibt es seit 80 Jahren keine mehr; die Freimaurerei ist obrigkeitlich verboten, kein Freimaurer macht das Ländchen unsicher.

Ja, das waren böse Zeiten, als der große Kaiser Joseph noch lebte, schreckliche Zeiten! Die Innsbrucker Johannisloge wurde gegründet 1777 unter Zulassung des Kaisers Joseph; beim sechsten Constitutions-Feste, am 25. Jänner, sagt der Redner: „der nicht zweideutige Schluß unseres Vorurtheile zerstäubenden Monarchen war ein Zuwachs unserer dankbaren Herzensergießung“. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2016)

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