Damals schrieb Die Großen und die Kleinen

Wien, 20. April 1866. Vor einigen Jahren ging von Karlsruhe der Vorschlag aus, die deutschen Kunstvereine möchten sich verpflichten, für größere Kunstwerke, welche ihnen zur Ausstellung überlassen werden, eine Tantième an die Künstler zu entrichten. Recht tüchtige Leute, wie Lessing, Schirmer, Schrödter, hatten in diesem Sinne eine Denkschrift ausgearbeitet und einleuchtend auseinandergesetzt, daß bei dem jetzigen System die „Großkunst“ zu sehr in Nachtheil stehe gegen die „Kleinkunst“; die Werke der ersteren verschaffen den Ausstellungen Besuch, haben aber wenig Aussicht, Käufer zu finden, weshalb es wol billig sei, den Künstlern eine Entschädigung dafür zu gewähren, daß sie ihre Gemälde oder plastischen Arbeiten jahrelang in Deutschland umherkutschiren lassen und sie, auf keinen Fall in besserem Zustande – endlich wieder in ihrer Werkstatt aufstellen können, während für Genrestücke, kleine Landschaften u. dgl. die Ausstellungen wirklich zum Markt werden.

Das Alles war, wie gesagt, klar genug, aber die Herren hatten eine große Unvorsichtigkeit begangen, als sie von „Großkunst“ und „Kleinkunst“ sprachen;sämmtliche Kleinkünstler fühlten sich in ihrer Würde verletzt, mancher rechnete auch: „Bleibt ihr nur von den Ausstellungen weg, ihr Großen, um so sicherer ist dann unser Geschäft“; die Kunstvereine zuckten die Achseln und versicherten, nichts thun zu können, und so wurde der Gedanke in aller Stille, wir wissen nicht mehr wo und wann, beseitigt. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2016)

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