Von der Gestaltung des Möglichen

Das oberösterreichische Büro „Two in a box“ hat schon ein breites Spektrum von Bauaufgaben gelöst: mit Einfühlungsvermögen, ökologischem Bewusstsein – und Verständnis für Budgetvorgaben.

Die Reichen werden reicher und die Armen ärmer. Scheren aller Art öffnen sich. Die Ungleichheit nimmt zu. Diese Entwicklung ist selbst im Baugeschehen zu beobachten. Eine angesichts der überschaubaren Größe Österreichs überraschend fruchtbare Produktion baukultureller Spitzenleistungen wird zwar international hochglänzend reflektiert; doch die erdrückend große Mehrheit unserer gebauten Umwelt folgt, vom Anspruch der Hochkultur vollkommen unberührt, in vielerlei Hinsicht nicht einmal den Geboten des Hausverstands.

Gewöhnlich beschwört man angesichts einer von krassen Gegensätzen geprägten Lage die ausgleichende Kraft des Mittelstandes. Christian Stummer und Andreas Fiereder, Gründer des im oberösterreichischen Ottensheim ansässigen Architekturbüros „Two in a box“ sehen sich in dieser Rolle. Sie legen großen Wert auf ein gutes Gesprächsklima mit ihren Bauherren, deren Wünsche sie ebenso respektieren wie die Budgetvorgaben. Um Letztere einzuhalten, nehmen sie wohl Änderungen und Abstriche an ihren Planungen in Kauf, doch ohne das Ziel qualitätsvolle Architektur aus den Augen zu verlieren. „Two in a box“ haben vom privaten und sozialen Wohnbau über Gewerbebauten bis zu öffentlichen Gebäuden ein breites Spektrum von Bauaufgaben gelöst. Viele ihrer Aufträge waren das Ergebnis gewonnener Architekturwettbewerbe.

Der konstruktive Holzbau gehört zu den Schwerpunkten, die „Two in a box“ gerne setzen, wo dies möglich ist. So überzeugte etwa ihr Vorschlag, den Neubau des Kindergartens Doppl-Hart in Massivholzbauweise auszuführen, Wettbewerbsjury und Bauherrschaft gleichermaßen. Die Gemeinde Leonding sah darin die Möglichkeit, den eigenen, über das Landesübliche hinausgehenden Qualitätsanspruch deutlich zu steigern: Das hinter dem seitens der Gemeinde geforderten Einbau einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und LED-Leuchten stehende ökologische Engagement wird durch die Verwendung des nachwachsenden Rohstoffes Holz unterstrichen. Dem durch die Anordnung eines zusätzlichen kleinen Ruheraumes für jede Gruppe ausgedrückten Wunsch nach möglichst hohem Nutzungskomfort für die Kinder entsprechen „Two in a box“ mit einer übersichtlichen, zweihüftigen Anlage, in der alle Gruppen- und Bewegungsräume gleichwertig nach Süden orientiert sind. Das klug austarierte Wechselspiel von Besonnung und Beschattung, die mit Tageslicht erfüllten Erschließungszonen, die Vielfalt der Blickbeziehungen, nicht zuletzt das Hervorheben der optischen, akustischen und haptischen Qualitäten des Holzes, kurzum den Mehrwert, den die Architekten durch ihre Detailarbeit geschaffen haben, gibt es gratis dazu.

Die Notwendigkeit, räumliche Qualität als kostenlose Über-Erfüllung funktioneller Vorgaben zu erschaffen, war bei einem anderen Bau von „Two in a box“ besonders deutlich zu spüren: das Green Belt Center in Windhaag, eine multifunktionale Anlage, die dem Naturraum auf der Fläche des einstigen Eisernen Vorhangs gewidmet ist, musste mit besonders knappem Budget verwirklicht werden. „Two in a box“ haben die angespannte wirtschaftliche Situation bei gleichzeitig im Thema angelegtem ökologischem Schwerpunkt in einen Holzbau übersetzt, der aus seiner Sparsamkeit kein Hehl macht und sichdie Freude an der Gestaltung des Möglichen dennoch nicht nehmen lässt.

Dieser außen mit einer Schalung aus sägerauer Weißtanne, innen jedoch mit Grobspanplatten verkleidete Neubau ist einem historischen Mühlviertler Waldhaus zur Seite gestellt, das mit minimalen Eingriffen der neuen Nutzung angepasst wurde. Er übernimmt mit einem Lift- und Treppenturm die vertikale Erschließung beider durch Brücken verbundener Häuser. Haupteingang und Kassa liegen in dem nach beiden Seiten offenen Verbindungsbau. Der Zubau schafft im Erdgeschoß Raum für ein Foyer und einen Vortragssaal. Die oberen Geschoße setzen – durch Lufträume untereinander verbunden –den Weg nach oben zu der Aussichtsplattformin Szene, die einen Rundblick in den umgebenden Naturraum bietet.

Eine Möglichkeit, die finanziellen Aufwendungen ihrer Bauherren in größtmöglichem funktionellem, aber auch kulturellem Nutzen abzubilden, sehen „Two in a box“ in der umfassenden Betreuung ihrer Baustellen, die auch die Kostenermittlung und Bauabwicklung bis zur örtlichen Bauaufsicht umfasst. Nicht selten übernehmen sie sogar Teiledes Projektmanagements und ersparen damit ihrer Bauherrschaft die Entscheidung, obsie die Gestaltungshoheit über den Planungs-und Kostenverlauf tatsächlich gegen die Bequemlichkeit, sich eines Generalübernehmers zu bedienen, eintauschen wollen.

Im Fall des Gemeindezentrums Lichtenberg waren es drei Auftraggeber, die Gemeinde, ein Gastronom und eine Bank, derenunterschiedliche Anliegen „Two in a box“ in einem Haus zusammenführten. Das Ergebnis, ein auf einem massiven Erdgeschoß ruhender Holzbau, zeigt das Talent der Architekten, Nutzungen dicht in ein kompaktes Volumen zu schlichten und doch jenes Maß an Licht und Luft einzuplanen, das für das Empfinden räumlicher Großzügigkeit entscheidend ist. Davon profitieren alle Bereichedes Hauses gleichermaßen, während ihre vonHolz und hellen Grau- bis Beigetönen grundierte Ausgestaltung der jeweiligen Nutzung angepasst ist. Gleichzeitig mit dem an allen Tagen der Woche belebten Gebäude ist als Fortsetzung seines teilweise zweigeschoßigenFoyers ein multifunktionaler Ortsplatz entstanden, der neben der Dorflinde und den notwendigen Installationen für Maibaum undChristkindlmarkt sogar eine Mitfahrbucht fürdie zahlreichen in Lichtenberg wohnhaften Pendler bietet.

Ist das Gemeindezentrum Lichtenberg von seiner Multifunktionalität geprägt, so mussten „Two in a box“ bei der Planung des Musikpavillons Bad Ischl nur einer Nutzung, dem Musizieren für das im Kurpark flanierende Publikum, den richtigen Ausdruck verleihen. Der von ihnen gewählte elliptische Grundriss formt den Pavillon im Verband mit einem nach hinten geneigten Dach zu einem markanten Objekt, das auf einem unsichtbaren Betonsockel über der gekiesten Fläche des Parks zu schweben scheint. Die innen zur Gänze mit Weißtanne ausgekleidete Form wird außen durch eine selbst im Bereich von Belichtungsöffnungen weitergeführte vertikale Weißtannenlattung geschlossen. Hinter dem Paravent dieser Schalung, der an der Nordwestseite mit einer zweiten Schicht den Künstlereingang umfängt, bleiben auch die Zugänge zu der öffentlichen WC-Anlage verborgen, die im östlichen Bereich des Pavillons Platz gefunden hat. Nur die trichterförmig nach hinten verjüngte Bühne mit ihrem als Gegenbewegung zur Decke in flachen Stufen ansteigenden Boden ist aus dieser fein gearbeiteten hölzernen Skulptur herausgeschnitten: ein Raum, der kann, was er können soll, und das verkörpert, was er ist. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2016)

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