Neues Rapid-Stadion: Nicht Himmel, nicht Hölle

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Das Vergabeverfahren war intransparent, weder architektonische noch städtebauliche Qualität ist vorhanden. Das neue Stadion des SK Rapid in Wien-Hütteldorf wird wohl kaum den Status einer baulichen Ikone erreichen. Schade!

Das Timing war nicht schlecht: Kurz vor Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien gab der SK Rapid im Juni 2014 die Neubaupläne für sein neues Stadion bekannt. Ein paar Tage nach dem Finalspiel der Europameisterschaft wird es nun mit einem Spiel gegen den FC Chelsea eröffnet. „The Blues“ haben den Stadionneubau noch vor sich. Herzog & de Meuron haben als Ersatz für das 1877 errichtete und seitdem etliche Male umgebaute und erweiterte Londoner Stamford Bridge Stadion eine Kathedrale aus Backstein konzipiert. Noch befindet es sich in der Bewilligungsphase, einen Spitznamen hat es schon: „Eierschneider“ – wegen des die Arena umgebenden markanten Strebewerks. Ob das „Joggeli“ in Baden, das Pekinger „Nest“, der „Schwimmreifen“ des FC Bayern München oder das höchst elegante, von 900 grazilen Stützen umwaldete neue Stadion von Bordeaux: Keines der Stadien der Schweizer Architekten gleicht dem anderen, alle sind maßgeschneidert, charakteristische Wahrzeichen für die Stadt, Ikonen der Populärkultur.

Dazu reicht es beim neuen Rapid-Stadion nicht. Eingehaust in eine Hülle aus grünen Polycarbonatplatten, begleitet von der zur Keißlergasse hinausragenden silbernen Röhre entlang der Westtribüne, die als Display für ein riesiges Rapid-Emblem dient, hat es die Ausstrahlung einer routinierten Shoppingcenter-Architektur. Zur Imagebildung bedient man sich der simplen und plakativen Mittel der Vereinsfarben und Details, wie dem Vereinslogo auf den Kanaldeckeln. Es ist kein Bemühen um das Herstellen größerer Bezüge zur Stadt, zum Thema Sport zu erkennen, kein Witz, kein Alleinstellungsmerkmal, das tauglich wäre, den Ort über die engere Fangemeinde hinaus anziehend zu machen. Keine Spur von Eleganz.

Eine „grüne Hölle“ sollte der Neubau sein. Dafür muss und wird wohl der harte Kern der Anhänger sorgen, der Bau vermittelt eher die Atmosphäre eines läuternden Fegefeuers. Himmel und Hölle müssen sich anders anfühlen. Zu einer Kathedrale des Fußballs hat es ohnedies nicht gereicht, dazu waren von Anbeginn die Ambitionen zu gering. Nachdem der Vorgängerbau, das 1977 in Betrieb genommene Weststadion, das 1981 nach seinem Architekten, dem legendären Rapid-Kapitän Gerhard Hanappi benannt war, als nicht sanierbar erklärt worden war, schrieb der Verein ein Totalunternehmer-Verfahren aus.

Vier Bieter nahmen teil, ein vierköpfiges Projektteam, dem weder Architekten noch Vertreter der Stadtplanung angehörten, empfahl, das Projekt der STRABAG, die im Tandem mit dem auf Multifunktionshallen und Sportarenen spezialisierten deutschen Büro „Architektur Concept Pfaffhausen & Staudte GbR“ antrat, zu realisieren. Immerhin enthielt sich Rapid-Präsident Michael Krammer bei der Entscheidung über den Zuschlag der Stimme, sein Bruder Peter ist schließlich Mitglied im STRABAG-Vorstand. Wer die übrigen drei Bieter sind und welche architektonisch-städtebaulichen Antworten sie vorschlugen, wurde bis heute nicht öffentlich. Ein privater Bauherr unterliegt nicht dem Vergabegesetz und kann beauftragen, wen, was und wie er will. Stimmt, ist aber nicht zwangsläufig in Ordnung.

Dass die Stadt Wien es weder für notwendig hielt, ein transparenteres Vergabeverfahren einzufordern, noch in irgendeiner Form auf architektonische und städtebauliche Qualität zu pochen, ist mehr als befremdlich. Es ist vielmehr skandalös. Erstens, weil aus der Stadtkassa 20 Millionen Euro ins Baubudget von offiziell 53 Millionen flossen. (Das ist, wenn es stimmt, im Vergleich mit anderen Stadionneubauten zwar ein Pappenstiel. Aber die Frage, ob nicht eine asketische statt einer billigen Lösung drin gewesen wäre, muss zulässig sein.) Zweitens, weil die Stadt nach wie vor Besitzerin des Grundstücks ist. Eigentümer der Sportstätte ist seit Abschluss eines Baurechtsvertrags der SK Rapid. Drittens, weil die Lebensqualität und das Prestige einer Stadt nicht nur davon abhängen, wie und was in den Schutzzonen der inneren Stadtbezirke gebaut wird. Das Stadion liegt inmitten von Wohnbebauung prominent an der westlichen Wiener Stadteinfahrt, schon allein das rechtfertigt mehr baukulturelle Sensibilität. Zudem hätte eine architektonische Ikone dieser Stadt auch wieder einmal gutgetan. Wien hält sich einen Fachbeirat für Stadtplanung und Stadtgestaltung, dem die Dienststellen der Stadtplanung einzelne Bauvorhaben, die maßgeblichen Einfluss auf das Stadtbild haben, vorlegen. Was bekommt der zu sehen, wenn nicht einen Stadionbau mit 24.000 Sitzplätzen?

Schade, dass keine Lehren aus der Vergangenheit gezogen wurden. Schon Gerhard Hanappi, der sich mit dem Fußballspielen das Architekturstudium verdiente, hat mit seinem prestigereichsten Auftrag gehadert. „Von dem ursprünglichen Sportzentrum ist nur ein Sparstadion übergeblieben“, kommentierte er anno dazumal in der „Kronen Zeitung“. Denn vom „großen und modernen Sportzentrum West“ mit Stadion, Leichtathletikanlage, Tennisplätzen und Sporthalle, das 1970 projektiert wurde, realisierte man angesichts der Ölkrise nur das Stadion, und auch das litt unter Einsparungen, Bauverzögerungen, Abänderungen und Schlampereien bei der Bauausführung. Bald nach der offiziellen Eröffnungsfeier im Herbst 1977 traten schwere Baumängel zutage, das Stadion musste gesperrt werden, Korruptionsgerüchte machten die Runde.

Mit Rapid hat sich Hanappi zerstritten. Der Verein wünschte zum Beispiel mehr VIP-Bereiche – unvereinbar mit der Tradition eines Arbeitersportvereins in den Augen des überzeugten Sozialisten Hanappi, erzählt der Architekt Christoph Lechner, der an einer Monografie über den als Spieler Unvergessenen, als Architekt aber zu wenig Beleuchteten arbeitet, die im Frühjahr 2017 erscheinen soll. Von seinem Stadion, das sich vom ungeliebten Skandalbau nach seinem Tod zu einer Kultstätte entwickelte, wanderte sein Name auf den Vorplatz. Man kann das als Akt der Pietät deuten. VIP-Logen und Angebote für sogenannte Businesskunden gibt es heute mehr, als sich Hanappi jemals hätte vorstellen können. Leidenschaft und Geschäft liegen im Fußball wie beim Bauen eng beisammen. In den Sternen steht, ob das Stadion jemals wieder Weststadion heißen wird, wie eine Fan-Kampagne fordert. Eine Versicherung zahlt dafür, dass das Gebäude unter ihrem Namen läuft. Schade, dass es keine Versicherung gegen Beschädigungen der Baukultur gibt. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2016)

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