Die Kirche im Dorf

Viel neuer Platz in Wien und Niederösterreich: Pointner/Pointner Architekten zeichnen verantwortlich für die Sanierung der Pfarrkirche Wien-Essling sowie für das neue Pfarrheim der Kirche Großebersdorf.

Nähert man sich Großebersdorf von Süden her, ist es der schlichte Bau der katholischen Pfarrkirche, der das Profil der Marktgemeinde prägt. Ihr unmittelbares Umfeld mit seinen schmalen, an den Gabelungen zu kleinen Plätzen erweiterten Gassen und dem Ineinandergreifen von bebautem und landwirtschaftlich genutztem Raum ist charakteristisch für den Ort. Diese Stimmung hat Helmut Pointner, einer der in Wien und Freistadt arbeitenden Brüder Pointner/Pointner Architekten, im Erweiterungsbau desneben der Kirche gelegenen Pfarrhofes eingefangen und behutsam verdichtet.

Der Neubau macht aus einem Freiraum zwischen dem historischen Pfarrhaus im Süden, den daran schließenden ehemaligen Stallungen im Westen und einem an der östlichen Hangkante stehenden Presshaus einen windgeschützten Hof. Der Erweiterungsbau umfasst einen Pfarrsaal, zwei Jugendräume und ein verbindendes Foyer. Ein neuer, den Anstieg der Pfarrhausgasse ausgleichender Zugang führt am sanierten, Küche und Sanitärräume fassenden Westtrakt entlang und erschließt das Pfarrheim barrierefrei. Unter Berücksichtigung der Topografie hat Helmut Pointner das Gebäude hangseitig als Massivbau, zum Hof hin jedoch als konstruktiven Holzbau entwickelt. Er übernimmt mit dem Foyer und den Jugendräumen die Traufenkante des historischen Bestandes; der Pfarrsaal ragt darüber hinaus und bildet so die markante Nordostecke der Anlage.

Betritt man das Pfarrheim über seinen Haupteingang, fällt der Blick aus dem Foyer gleich in den Hof, den Helmut Pointner mit einer wassergebundenen Decke, einem die Hauskanten fassenden Traufpflaster und einer Ulme in der Mitte gestaltet hat. In der Nische linker Hand, aus der sich die zwei Türen zu den Jugendräumen öffnen, hat die Teeküche, Voraussetzung für Geselligkeiten, Platz gefunden. Auch die kleine, professionell eingerichtete Küche im Westtrakt ist über eine Durchreiche mit dem Foyer verbunden. Es sind wohl funktionale Zusammenhänge dieser Art, die zunächst das Herz der Pfarrgemeinde für die Architektur gewonnen haben. Die Alltagstauglichkeit des neuen Pfarrheimesist jedoch nicht nur einem vernünftigen Grundriss, angenehmen bauphysikalischen Eigenschaften und klug gewählten haustechnischen Einrichtungen wie einer automatischen Nachtlüftung geschuldet.

Mit der Wahl der Materialien hat Helmut Pointner das notwendig Robuste des Hauses betont; mit seiner sorgfältig detaillierten Bearbeitung verfeinert er es zu etwas Besonderem, das aus dem Alltag in jene Sphären reicht, in denen die Kultur zu Hause ist. Die massiven Wände des Neubaus sind Hohlwände aus Beton, industriell gefertigte Massenware also, die nach dem Versetzen sandgestrahlt wurden. Außen gedämmt und verputzt strahlen die raumhohen Elemente in ihrem Ebenmaß nach innen Beständigkeit und Ruhe aus. Ihre Öffnungen sind sparsam und mit Bedacht gesetzt: zwei Ausgänge in den Garten an der Ostseite, ein Blick auf den neuen Zugang aus dem Jugendraum und zwei einander gegenüberliegende Fenster im Pfarrsaal, die den Bezug zur Kirche und zum Gemeindeamt herstellen.

An der Südseite des Saales bildet, mit fünf schlanken Holzstützen von diesem abgesetzt, ein in Fortsetzung des Foyers angelegter, niedrigerer Raum einen aus Holz und Glas komponierten Filter zum Innenhof. Verschiebbare hölzerne Sonnenschutzelemente und großzügige gläserne Schiebetüren erlauben die Dosierung des Außenraumbezuges. Zwischen den Rahmen des Holzbaus sorgt eine akustisch wirksame Holzlattung in Pfarrsaal und Foyer für gute akustische Bedingungen. Unter der Decke des Saales stellen drei filigrane Lichtlinien die Allgemeinbeleuchtung her, die bei Bedarf durch diskret über die Zwischenräume der Deckenlattung versorgte Strahler ergänzt werden. In den Jugendräumen dämmt eine mobile, mit Schafwollmatten belegte Trennwand den Schall.

Die Offenheit, mit der sich die Pfarrgemeinde auf Neues, Ungewohntes eingelassenund in ihrem Pfarrheim konsequent verwirklicht hat, ist einerseits dem engen Kontakt zum Architekturbüro zu verdanken; andererseits soll an dieser Stelle die Beratungstätigkeit des Bauamtes der Erzdiözese Wien unter der Leitung von Harald Gnilsen nicht unerwähnt bleiben. Das von seiner Fachkompetenz getragene Bekenntnis der Erzdiözese, ihren breit gefächerten Immobilienbestand nicht zuletzt unter Mehrung seines kulturellen Wertes zu pflegen, sichert der katholischen Kirche eine vom unmittelbar Religiösen unabhängige Möglichkeit zur Gestaltung der Welt.

In einem zweiten, demnächst fertiggestellten Projekt von Helmut Pointner kommt die positive Wirkung eines seitens der Kirche unternommenen Bauvorhabens auf sein Umfeld besonders gut zur Geltung: Die Pfarrkirche in Wien-Essling hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Im 19. Jahrhundert als Kapelle für das auf der gegenüberliegenden Seite der Esslinger Hauptstraße gelegene Schloss errichtet, wurde sie in den 1930er-Jahren erweitert und schließlich 1988 durch einen Einbau verengt und verfinstert. Das von der Erzdiözese zur Sanierung der Kirche ausgeschriebene Gutachterverfahren konnte Helmut Pointner mit einem Projekt für sich entscheiden, das den Rückbau des Hauptschiffes auf den großzügigen Raum der Zwischenkriegszeit unter Beibehaltung seines Dachstuhles vorsah. Sein Entwurf öffnet überdies die Nordflanke des Hauptraumes zu der von allerlei Einbauten befreiten Kapelle. Durch das Vorrücken des Altars in den Kreuzungspunkt der beiden Schiffe dient sie nun gleichzeitig als Kirchenerweiterung und Werktagskapelle. Schmale Fenster, von der Künstlerin Ingeborg Kumpfmüller mit zart gefärbten Schriftzügen gestaltet, rhythmisieren und erhellen das Hauptschiff.

Die Ostflanke der Werktagskapelle öffnet sich, geschützt hinter vertikalen Holzlamellen, auf einen Platz, dessen Entstehung einigen glücklichen Fügungen zu verdanken ist. Wo bisher eine mit Koniferen bewachsene, von Autos gesäumte Brache lag, hat Helmut Pointner nun einen kleinen befestigten Platz geschaffen, aus dessen Mitte sich ein Laubbaum erhebt. Er wird an seinen freien Kanten von einer Stahl-Holz-Konstruktion gefasst, die den Haupteingang auf der einen und den Zugang zur Kapelle auf der anderen Seite beschirmt. Der Platz liegt zur Gänze auf öffentlichem Gut, wurde in Zusammenarbeit mit dem Magistrat der Stadt Wien errichtet und gibt dem Straßendorf Essling, was es dringend benötigt: vielfach nutzbaren öffentlichen Raum. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2016)

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