Der ideale Bauherr

Versuch einer Charakterisierung: Was sind die Voraussetzungen, die zu einer geglückten Beziehung zwischen Bauherren und Architekten führen – und zu guten Bauwerken?

Ein Bauherr ist Auftraggeber für die Planung und Errichtung von Bauwerken. Dass der Begriff Bauherr über all die Jahrhunderte männlich geprägt blieb und bis heute so eindimensional verwendet wird, ist historisch vom Status des Bauherrn in der Gesellschaft abzuleiten. Das Bauen war immer Ausdruck von Macht und Planungshoheit, und diese waren männlich dominiert, egal, ob es sich um den Kaiser, um Könige oder die Kirche als Auftraggeber handelte. SchlossVersailles wurde errichtet, um als gebautes Manifest die Macht Ludwigs XIV. darzustellen, und wurde deswegen zum Inbegriff des französischen Barocks. Nach Ludwig XVI. wurde gar ein Stil, der Louis-Seize, benannt, der in ganz Europa Furore machte. Auch die Veränderungen der Welt durch die industrielle Revolution rüttelten nicht am Bedürfnis der neuen Herren, Status und Ansehen in feudal anmutenden Fabrikgebäuden und Handelshäusern auszudrücken. Es ging weiter: Als monumentale, staatstragende Geste ließ Hitler von seinem Architekten Speer die neue Reichskanzlei planen, und kaum anders agierte der Sozialist Mitterrand, als er in absolutistischer Manier selbst jene Architekten beauftragte, die mit den Grand Projets in Paris Ruf und Ruhm festigen sollten.

Die Geschichte ist ein Fundus an unzähligen großen Namen, die mit Aufträgen für monumentale Bauwerke in erster Linie ihre eigene Unsterblichkeit im Auge hatten, ohne Rücksicht auf Etats oder Nutzen. Sie nennt uns aber auch einzelne Persönlichkeiten, die in ihrer Bauherrenfunktion als Vertreter des Staates oder der Institutionen weit über das übliche Maß hinaus Engagement für Baukultur und die Bereitschaft zum Experiment zeigen. Im besten Fall tragen Bauherren solcherart zu Innovation und Fortschritt bei, und es kann Baukunst entstehen, die auf gesellschaftliche Erfordernisse zeitgemäße Antworten gibt. Als Beispiel sei Hannes Swobodagenannt, der als Wiener Planungsstadtrat in den 1990er-Jahren das Schulbauprogramm 2000 initiierte. Nicht nur, dass es über die Landesgrenzen hinaus beachtet wurde. Der Anspruch, Reformen in typologisch neuen Schulhäusern erproben zu können, hätte ein Modell mit internationaler Reputation werden können. Zurzeit sind Experimente im Schulbau schon durch den restriktiven Rahmen der nun in Wien üblichen PPP-Verfahren (Public Private Partnership) extrem gefährdet.

Ist der ideale Bauherr also einer, der alles abnickt, was sich Architekten ausdenken? Mitnichten. Im Leben wie im Bauen gilt, dassein Verhältnis dann nicht fruchtbar ist, wenn einer immer der Bestimmende ist und sein Gegenüber der immer nur Zulassende. Vielleicht erklärt dies auch, warum Architekten so selten für sich selbst bauen (und sich lieber in Altbauwohnungen einrichten). OffenerDialog und die Kenntnis anderer Sichtweisen sind als Reibeflächen wichtig, um aus einem selbst das Beste herauszuholen.

Loos irrte jedoch, wenn er um 1930 behauptete, dass das Geheimnis für gute Architektur ein fachkundiger Bauherr ist. Um einander auf Augenhöhe zu begegnen, muss der Bauherr kein Fachwissen haben. Was es im heute immer komplexeren Prozess des Bauens braucht, sind Offenheit und das Bewusstsein, dass ein gemeinsames Ziel verfolgt wird. Konrad Ott, ein deutscher Philosoph mit einem Forschungsschwerpunkt zur Umweltethik, unterstreicht in einer Betrachtung über das Verhältnis von Bauherr und Architekt die Bedeutung gegenseitigen Vertrauens, die über das rein Fachliche hinausgeht. Es ist ein Gemeinplatz, aber: Was in unseren Beziehungen zu Fachleuten wie Ärzten selbstverständlich scheint, dass wir an ihrer Fachkompetenz nicht zweifeln, scheint für Architekten, die eine ebenso lange Ausbildung hinter sich haben, nicht zu gelten.

Immer wieder erzählen Kollegen, dass ihnen zumindest am Beginn eines Planungsprozesses vonseiten der Auftraggeber ohne Wertschätzung, sogar mit tiefem Misstrauen begegnet wird, und dass man ihnen jegliche Kompetenz abspricht, wenn sie sich nicht schon über frühere Bauaufträge einen guten Ruf als Spezialisten für ein Fachgebiet erworben haben. Es erschwert Arbeitsverhältnisse, besonders für ambitionierte, aber wenig erfahrene Architekten, wenn Bauherren Architekten nicht als gleichberechtigte Partner sehen.

Was aber, wenn Bauherren Immobilienfonds, verschachtelte Bauträgerkonstrukte oder Aktionäre sind, wenn man den Bauherrn als direktes Gegenüber gar nicht zu Gesicht bekommt? Undurchschaubare Eigentümerstrukturen und das Delegierenöffentlicher Bauaufgaben an private Bauträger haben eine ganze Reihe von Nebenbauherren entstehen lassen. Diese übernehmen Aufgaben zur Steuerung, Kontrolle und Kostenminimierung und handeln, immer ihre berufliche Selbsterhaltung im Hinterkopf, als kühle Kalkulierer, die ausschließlich dem Bauherrn verpflichtet sind. Können frühere Kernkompetenzen der Architekten – Innovationsgeist, das Infragestellen herkömmlicher Strukturen und das Erarbeiten neuer, zeitgemäßer Lösungen – so zu Entfaltung und Hochblüte kommen? Es ist fraglich, ob den Architekten unter solchen Umständen die Zuschreibung als Erneuerer, die historisch gesehen immer daran beteiligt waren, die Gesellschaft weiterzuentwickeln, bleiben kann.

Nun, wir wollen nicht schwarzmalen, gabes doch einerseits immer Architekten, die ihr Tun als reine Dienstleistung verstanden haben, und gibt es andererseits offensichtlich auch noch die idealen Bauherren. Die Zentralvereinigung der Architekten Österreichs lässt diese jährlich durch eine Jury aus Fachleuten im ganzen Land auffinden und ehrt auch heuer wieder die besten mit dem Bauherrenpreis.

Wie und wer ist aber der ideale Bauherr? Es gibt weder Anleitungen noch Rezepte für die Aufgabe als Bauherr. Aber es scheint einige Grundsätze zu geben, die die Beziehung Bauherr/Architekt gut gelingen lassen. Wertschätzung und Vertrauen wurden hier schon angesprochen. Wenn Loos den Bauherren auch zugestand: „Für eure Wohnung habt ihr immer recht“, so kann man ihnen doch raten, auf diesem Recht nicht von Anfang an zu beharren. Das Ergebnis eines solcherart dominierten Planungsprozesses kannselten außergewöhnlich werden.

Seid offen, seid neugierig und ermuntert, ja, fordert eure Partner heraus, möchte man Bauherren zurufen. Was daraus glückhaft entstehen kann, braucht als Voraussetzung weder unbeschränkte Geldmittel noch den Fachmann als Gegenüber. Es kann eine kleine Gemeinde wie Krumbach im Bregenzerwald, deren Bürgermeister Landwirt ist, in den Blickpunkt internationaler Aufmerksamkeit rücken. Oder erfolgreiche Strategie und beste Werbung für ein Unternehmen wie die Tiroler Handelskette M-Preis werden, das seine Bauten nicht ohne Bedacht auf Ökonomie und Effizienz errichten lässt. Kein Zweifel, an ihren preisgekrönten Bauten lässt sich nachvollziehen, was ideale Bauherren ausmacht. Die Verleihung des Bauherrenpreises findet im Übrigen am 4. November in der Anton-Bruckner-Privatuniversität in Linz statt. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2016)

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