Damals schrieb

Einsicht des ungarischen Volks

Wien, 8. August 1867. In den nächsten Tagen wird die gemischte Commission zusammentreten, um die Grundlinien des Ausgleichs mit Ungarn zu ziehen.

Dieses Werk ist zu wichtig, als daß wir uns begnügen könnten, mit allgemeinen Phrasen an den guten Willen der Ungarn zu appeliren und eine Zuversicht des Gelingens auszudrücken, wofür wir triftige Beweggründe nicht anzuführen vermöchten. Alles hängt freilich von der gereiften Einsicht des ungarischen Volks ab. Auf diese Einsicht rechnen wir, weil wir nicht glauben können, daß die Lockrufe Kossuth's und sein geradezu lächerliches Donau-Conföderations-Project die Nationernsthaft fesseln können.

Die Wahl Kossuth's in Waitzen und das Manifest, welches der Ex-Gouverneur erlassen will, um die Nichtannahme des Mandats seinerseits zu begründen, machen uns nicht irre. Kossuth conspirirte im Jahre 1856 entschieden mit Rußland und war später bemüht, mittelst seines Conföderations-Projects, wir wissen nicht, ob mit oder ohne Absicht, sein Vaterland gewissermaßen als Lamm vor die Höhle des hungrigen Löwen hinzulegen. Es ist klar, daß die Constituirung des Südslaventhums im Vereine mit Ungarn dereinst nur durch Oesterreich erfolgen kann, oder daß beide Elemente die Beute Rußlands werden müssen. Ein Drittes gibt es nicht. An ein Donaureich unter magyarischer Hegemonie glaubt höchstens ein Tropf vom Schlage des Magyar Misag. Sonst gewiß kein halbwegs Vernünftiger in ganz Europa. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.