Im Rahmen des Möglichen

Interventionen am Schulbau in Oberösterreich: Viel Neues entstand in den vergangenen Jahren – von einer Qualität, die Hoffnung für die Zukunft macht.

Es vergeht kein Tag, an dem nicht die dringende Reformbedürftigkeit des österreichischen Schulwesens Thema wäre. Doch während man die Veränderungen der Institution verhandelt, wird Schule als Raum weitergebaut. Ist das mutwilliges Zementieren bestehender Strukturen? Oder vernunftgeleitetes Handeln zur Verbesserung der Situation im Rahmen des Möglichen?

In Oberösterreich hat der Schulbau in den letzten Jahren eine überraschend große Zahl an beachtenswerten Beispielen hervorgebracht. Das Bundesschulzentrum Kirchdorf der Riepl Riepl Architekten beispielsweise, das Schulzentrum Taufkirchen an der Pram der Dietmar Feichtinger Architectes oder das unlängst fertiggestellte AgrarBildungsZentrum Salzkammergut in Altmüster der Fink Thurnher Architekten sind über die Grenzen des (Bundes)Landes hinweg als wegweisend wahrgenommen worden. Doch gibt es neben den in der Fachpresse publizierten Objekten noch eine erhebliche „Dunkelziffer“ an Interventionen am Schulbau in Oberösterreich, die von Neubauten über Adaptierungen oder Zubauten eines gemeinsam haben: eine den engen Grenzen der Schulbauverordnungen und Budgets abgerungene räumliche Qualität, die Freude mit der Gegenwart und Hoffnung für die Zukunft macht.

Für das Umfeld, in dem diese Leistungen entstehen können, ist die mit dem Bauherrenpreis der ZV 2011 ausgezeichnete Landwirtschaftliche Berufs- und Fachschule Ritzlhof in Haid der Architekten Dickinger-Ramoni (Vorchdorf/Innsbruck) symptomatisch. Die Bauherrschaft, das Land Oberösterreich, hat dieses Projekt als Impulsgeber für den Schulbau, das Bauen für die Landwirtschaft und für den Holzbau gesehen und entsprechend gehandelt. Man hat das Projekt nicht einem der plausiblen „Anbieter für Baudienstleistungen“ überantwortet, sondern von der Wettbewerbsausschreibung bis zur Übergabe in der eigenen Bauabteilung begleitet; das Potenzial des Entwurfs von der Juryentscheidung bis zur Detailentwicklung erkannt und weitestgehend umgesetzt.

Der Erweiterungsbau des denkmalgeschützten Ritzlhofes schmiegt sich als Komposition aus Beton, Holz und Licht in den Landschaftsraum und rückt das Bild der gesamten Anlage zurecht. War diese bisher von Repräsentation nach außen und Rigidität im Innenraum geprägt, verzichtet man nun auf den großen Auftritt, um sich in aller Ruhe vor allem einmal Raum zu geben. Hinter dem unter dem Dachvorsprung eingezogenen, niedrig gehaltenen Windfang öffnet sich in gleicher Breite eine Aula, durchmisst die gesamte Tiefe des Hauses, kreuzt dabei den unterirdischen Verbindungsgang zu den beiden historischen Trakten und führt letztlich über Stufen hinauf und wieder hinaus in das Gelände. Zur rechten Hand erweitert die ein wenig tiefer liegende Zentralgarderobe, von runden Lichtkuppeln erhellt, den Raum. Auf der linken Seite der Aula liegt der Mehrzweck-Turnsaal, mit seinem flankierenden Atriumhof als lichtspendendes Volumen im Gelände versenkt. Darum herum sind die Bibliothek und Unterrichtsräume an Gängen gruppiert, die jeweils ins Freie münden. Den Holzbau zeigen Dickinger-Ramoni als feingliedrige, additive Technologie, die den hohen Planungsaufwand mit feinen Details und subtilen (Licht)Stimmungen belohnt. Auch dem Neubau der Volksschule in Bad Wimsbach ist ein Architektenwettbewerb vorausgegangen, den die Welser Architekten Luger & Maul gewonnen haben. Den Planungsauftrag wollten die Bad-Wimsbacher dann lieber an ein Architekturbüro vergeben, das in der ersten Runde des Wettbewerbs ausgeschieden war. Doch auch hier hat das unmissverständliche Bekenntnis des Landes die glückliche Wende gebracht. Luger & Maul haben die Volksschule gebaut und die kleine Landgemeinde damit in den Genuss eines Schulhauses gebracht, das künftige Entwicklungen des Schulalltags inspirieren wird. Denn das kompakt um einen Atriumhof herum entwickelte zweigeschoßige Gebäude legt mit seinen hellen, in enger Beziehung zueinander stehenden und ebenso behaglich wie variabel und nutzungsneutral gestalteten Räumen nicht nur ein offenes, gemeinschaftliches Lernen über die Grenzen von Themen und Klassen nahe. Es stellt auch über eine Vielzahl von Blickbeziehungen und einige multifunktional angelegte, direkt aus dem öffentlichen Raum zugängliche Bereiche, wie die Küche mit dem Essplatz, die Bibliothek oder den Mehrzweck-Turnsaal, den Kontakt zum Ortskern her.

Während sich also Schule auf dem Land schon recht wandlungsfähig zeigt, ist man beispielsweise in der VS49, der „Robinsonschule“ in Linz, beim „Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen“ geblieben. Die Stadt Linz hat die Architekten Schneider & Lengauer mit der Sanierung des ursprünglich aus den 1970er-Jahren stammenden Schulgebäudes und mit der Errichtung eines Hortes auf dem Gelände beauftragt. Schneider & Lengauer haben den Bestand unter weitgehender Beibehaltung seiner einhüftig und nicht ohne Großzügigkeit angelegten Struktur thermisch saniert, den Turnsaal kräftig runderneuert und die Eingangszone neu geordnet. Das zweigeschoßige, in Holzbauweise errichtete Hortgebäude schließt das aus Schule und Turnsaal gebildete L zu einem U und blendet so den angrenzenden Möbelhaus-Parkplatz aus. Damit lebt die von einem äußerst engagierten Team geführte Schule noch näher an ihrem Motto „Naturerlebnis für Stadtkinder“; denn Schule und Hort teilen sich den nun geschützten Garten, in dem ein begehbares Kunst-am-Bau-Objekt, die von Tobias Hagleitner und Gunar Wilhelm gestaltete „Luftigschule“, eine wichtige Rolle spielt. Beide Gebäude wenden sich mit ihren Klassen- respektive Gruppenräumen dem Garten zu. Dabei beziehen die Gruppenräume des Hortes mit ihren vorgelagerten gedeckten Terrassen den Außenraum besonders deutlich ein und bringen, als einfache, doch sorgfältig bearbeitete Holzschatullen ausgeführt, einen weiteren Naturbezug ins Spiel. Sollte es einer bildungspolitischen Obrigkeit einst gefallen, die Grenze zwischen Lernen (vormittags) und Leben (nachmittags) zu öffnen: An der Robinsonschule wird das wohl ohne allzu großen Aufwand möglich sein. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2012)

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