Was ich lese: Mathilde Schwabeneder

Über Jahre hatte ich das Glück, für meine Reportagen und Dokumentationen Afrika zu bereisen. Diese Afrika-Faszination hat bis heute nicht nachgelassen.

Über Jahre hatte ich das Glück, für meine Reportagen und Dokumentationen Afrika zu bereisen. Diese Afrika-Faszination hat bis heute nicht nachgelassen. Umso begeisterter war ich, als ich in Rom die Schriftstellerin Taiye Selasi kennenlernte. Ihr Debütroman Ghana Must Go, dieses Jahr auf Deutsch mit dem Titel Diese Dinge geschehen nicht einfach so erschienen (S. Fischer Verlag), hat Lobeshymnen eingefahren. Eine Familiensaga des 21. Jahrhunderts. Eine Geschichte über das Zuhause. Eine Art Autobiografie.

Die Tochter eines afrikanischen Ärzteehepaares greift unverblümt auf ihre Familiengeschichte zurück. „Mein ganzes Leben ist in diesem Roman“, sagte sie mir. „Mein Vater, ein Chirurg aus Ghana; meine nigerianische Mutter mit schottischen Vorfahren und einer großen Liebe zu Blumen. Meine Zwillingsschwester und ich, die wir in Yale studiert haben. All diese Eckpunkte habe ich einfach schamlos aus meinem Leben gestohlen.“

Doch nicht nur die Zutaten stimmen, auch ihre Verarbeitung ist vorzüglich gelungen. Einfühlsam, intelligent und emotional, so beschreibt Taiye Selasi das Leben der Familie Sai zwischen New York und Lagos, zwischen Boston und Accra. Ihre Prosa kann aber auch hart sein, wenn es um Rassismus und Missbrauch geht. Klischees bedient Selasi nicht. Stattdessen erweitert sie das Bild von Afrika um faszinierende Charaktere. Und steht man der Autorin gegenüber, versteht man auch sofort, warum sie den Begriff „Afropolitan“ erfunden hat. Eine schöne Frau afrikanischer Herkunft, hochgebildet, kultiviert, polyglott und: an den hipsten Plätzen der Welt zu Hause. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2013)

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