Mafiapate Don Lorenzo

Kurt Palm schickt Gioachino Rossini in den Wilden Westen.

Taufrisch ist der Plan ja nicht gerade, historische Personen auf eine mehr oder weniger abenteuerliche Reise zu schicken, die gar nicht stattgefunden hat. So hat etwa Peter Henisch in seinem Buch „Vom Wunsch, Indianer zu werden“ dem jungen Franz Kafka auf einer Schiffsreise nach Amerika eine Begegnung mit dem bereits alten Karl May gegönnt. Der Prager aber hatte im Romanfragment „Der Verschollene“ (von Max Brod „Amerika“ betitelt) nur den Jugendlichen Karl Rossmann zum Onkel nach Amerika reisen lassen. Bei Kurt Palm ist es der Komponist Gioachino Rossini, der 1852 mit seinen 60 Jahren per Schiff nach Amerika reist, um das Erbeseines verstorbenen Onkels, Tommaso Guidarini, in Missouri anzutreten: ein Grundstück mit Weideland samt Wasserrechten und Onkel Toms Haus, im Testament großspurig „Saloon“ genannt. Ist es ein Omen, dass Rossini nach einem riesigen Sturm in dem Tohuwabohu auf dem Schiff kurz ein Buch mit dem Titel „Onkel Toms Hütte“ erblickt? Und ist es ein gutes oder ein schlechtes?

Rossini jedenfalls hat auf der Überfahrt einige miese Figuren kennengelernt, die er hinter sich lässt, als er endlich in New York gelandet ist. Doch sofort tauchen zwei neue auf, die sich ihm als Hilfskraft andienen und ihn in ein Hotel schleppen, wo ihm viel Geld abgenommen wird. Ein Befreiungsschlag gelingt Rossini aber, als er die zwei ungebetenen Helfer bittet, einen Brief zu dem in New York lebenden Mozart-Librettisten Lorenzo da Ponte zu bringen. Dieser ist da zwar längst tot, agiert aber munter als sextoller Mafiapate. Da werden die zwei „Helfer“ sofort servil und freundlich.

Eigentlich fehlt nur Winnetou

Sei's drum. Rossini fährt nach einem Besuch bei da Ponte im Planwagen in den Wilden Westen und trifft dabei auf einen seltsamen Inder, den er ebenso mitreisen lässt wie einen aus der Sklaverei entflohenen Schwarzen und einen edlen Indianer aus dem Esoteriklesebuch – vor allem diebeiden wechseln in der Folge aus nicht nachvollziehbaren Gründen ihre Namen schneller als die Popkrankheit Lady Gaga ihr Outfit. Aber bei den Abenteuern, die noch zu bestehen sind, erweisen sie sich als recht hilfreich. Denn an ihrem Ziel lauert schon ein örtlicher Gegenspieler, der sich Rossinis Wasserrechte unter die Nägel reißen will und einen brutalen Kampf gegen die Schafzüchterin Myra führt, die mit ihrer sehr guten Freundin Lucie um das wirtschaftliche Überleben kämpft. Der schuftige Rinderbaron Whip Fletcher ist mit seinen Spießgesellen der gar nicht so heimliche Herrscher über das Städtchen und finster bereit, weiter über Leichen zu gehen.

Auch wenn es im Roman durchaus einige Tote gibt – wahre Gemetzel wie in Sam Peckinpahs Film „Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia“ finden nicht statt. Kurt Palm bedient sich ausgiebig mit bewährten Stückerln aus dem Fundus der Lederurstrumpftant'. Dadurch wirkt der Roman wie wortreiche Comics, denen das Bildelement gestrichen wurde. Alles ist da, was an „Lucky Luke“-Heften geschätzt wurde: feindliche Natur, Hunger, Durst, sengende Sonne, singende Menschen, ein übler Schurke und seine Büttel sowie holde Weiblichkeit, der geholfen wird, die sich jedoch am Ende per Duell selbst rettet und den Schurken erschießt. Ende gut, alles gut.

Und so liegt es nicht an Mikl-Leitnerismus, dass der Mann mit dem südlichen Namen an die Rückkehr in seine Heimat denkt (anstatt in den Staaten eine neue Unterhaltungsmusik zu erfinden – den Jazz etwa). ■

Kurt Palm

Bringt mir die Nudel von Gioachino Rossini

Kein Spaghetti-Western. 264S., geb., €19,90 (Residenz Verlag, St. Pölten)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2014)

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