„Satiriker wird man schon in der Familie“

Werner Schneyder erinnert sich und präsentiert famose Kabarett- und Songtexte.

Erster Blick auf das Buchcover:„Von einem, der auszog, politisch zu werden“. Ha? Da fehlt im Titel doch ein „um“, um als feiner Finalsatz gelten zu können. Aber Werner Schneyder ist ein zu glänzender Stilist, um so einen Fehler zu begehen. Leise hüstelt das Langzeitgedächtnis: Grimm, Gebrüder! Das Märchen „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“! Stirnrunzeln. Aber der Autor hat doch so gar nichts gemein mit dem tumben Helden, der im Märchen Gefahren besteht, weil er sie gar nicht erkennt. Einerlei, Schneyder blickt hier zurück auf sein Leben und würzt die Autobiografie mit famosen Song- und Kabaretttexten.

1937 in Graz geboren, entkommt der Sohn eines Wiener Vaters und einer sudetendeutschen Mutter mit fünf Jahren in Klagenfurt knapp dem Bombentod, erhält Unterricht in den verlassenen Hotels, die bald als Lazarette gebraucht werden, und lernt bei Kriegsende Flüchtlingskinder aus diversen Ländern kennen. Eine prägende Kindheit, die im Wohlstand aufgewachsenen jungen Kleinkünstlern abgeht. Dann: Matura, Studium, schon als Schüler Sportreporter, dann kurz Werbetexter, Dramaturg – und durch ein an Dieter Hildebrandt gesandtes Buch beim Kabarett gelandet. Dazwischen dank ErnstTrost kurz „Tagesdichter“ bei der „Krone“. Das endet mit dem Spruch Hans Dichands: „Im Grunde sind wir ja alle links, die wir da sitzen. Sie dürfen nur eines nicht: unserem Geld schaden.“

Da war das Duo Schneyder/Hildebrandt bereits ein Begriff – mit Themen, die ihre Brisanz bis heute nicht verloren haben, wie die hier abgedruckten Textbeispiele zeigen. 1982 schaffte Schneyder allein einen Auftritt in der abgeschotteten DDR, den Gegenbesuch der Leipziger „Pfeffermühle“ bei uns ermöglichte er mit einer „österreichischen Lösung“, bei der Bruno Kreisky und Erhard Busek hinter dem Vorhang kräftig mithalfen. 1985 konnte der aus dem „neutralen Ausland“ kommende Schneyder sogar die kabarettistische Hilfskraft Hildebrandt zu einer Aufführung nach Leipzig mitnehmen.

Unterschied USA und UdSSR

Nach fünf Programmen in acht Jahren erfolgte in aller Freundschaft die Trennung, Schneyder verlegte sich auf Soloprogramme, präsentierte im ORF – welch herrliche Zeiten! – den deutschsprachigen Kabarettnachwuchs, trat als Kabarettist zurück und schließlich auch vom Rücktritt. Erfolgreich ist er derzeit mit dem Programm „Ich bin konservativ“ unterwegs, das aus einem nur für ein Mal geplanten Comeback für die Ruhrfestspiele Recklinghausen entstanden ist.

Neben manchen Berichten, die das Zeug zur Anekdote haben, glänzt Werner Schneyder auch mit der feinen Klinge des Aperçus. Beispiele: „Österreich hat eine Regierung, die Waffengeschäfte bewilligt, von denen sie nachweislich nichts weiß.“ Über den Iran: „Der Reagan hat denen so lang Waffen verkauft, bis er sich selbst davor schützen musste.“ Über USA und UdSSR: „In der SU gehört die Rüstungsindustrie dem Staat. In den USA gehört der Staat der Rüstungsindustrie.“ Seine Antwort auf die Frage, wie er Satiriker wurde: „In der Familie.“ Dabei blinkt immer wieder der Schmerz über Dieter Hildebrandts Tod im November 2013 durch. Erfreulich: Im Personenregister fehlt diesmal der Name Thomas Bernhard, gegen den Schneyder sonst stets gern wütete. ■

Werner Schneyder

Von einem, der auszog, politisch zu werden

Die Geschichte eines „Meinungsträgers“. 256S., geb., €20,60 (Westend Verlag, Frankfurt/Main)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2014)

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