Was ich lese

Sängerin, Moderatorin, Darstellerin, derzeit beim Schrammelfestival in Litschau
[ Foto: Hannes Tichy ]

Der Roman, der mich gerade begleitet, ist alt. 1946 verfasst, lange Jahre vergessen, wurde er 2011 neu verlegt (in erweiterter Fassung, Aufbau Verlag, Berlin) und liegt seit drei Jahren auf meinem Nachtkästchen. Schon der Titel, noch mehr das Wissen um den Inhalt, ließen mich auf den geeigneten Start warten.

Jeder stirbt für sich allein von Hans Fallada. Die Tatsache, dass der Autor kurznach der Fertigstellung dieses Buches an Herzversagen starb, der Inhalt auf Gestapo-Akten basiert und der Ausgang der Geschichte, die Hinrichtung der Hauptakteure, schon im Inhaltsverzeichnisdroht, ließen mich den Band auf drei Urlaubsreisen mitnehmen und ungelesen wieder heimbringen.

Der Roman zog mich an, aber ich hatte zugleich Angst, ihn zu lesen. Es gibt Bücher, die einen ganz in Anspruch nehmen, nachhaltig verändern. Dann schlug ich ihn doch auf. Die aktuelle Sprache überraschte mich, holte mich schnell ab. Kein Staub auf den Seiten, die Dialoge klingen „heutig“. Und doch spürt man, wie nah an seiner Zeit das Buch entstanden ist. Die Personen und ihre Handlungen werden verständlich, mit all ihrer Angst, Stärke und Brutalität.

Eine Zeit, die ich trotz Anschauens von zig Hitler-Dokumentationen noch immer nicht verstanden habe, wird durch dieses Buch greifbar und real. Die von Hans Fallada (1893 bis 1947) erzeugte Stimmung erklärt dieses unmenschliche Regime, noch viel mehr die Menschen und ihre Handlungen.

„Wehret den Anfängen“ ist für mich nun nicht nur ein Satz, sondern ein Auftrag. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2014)

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