Brücken bauen und schürfen

Rasche Schnitte: Michael Wallners Liebesroman in Kuba während der Wirtschaftskrise.

Lesefutter mit Chart-Ambitionen“ nannte ein Kritiker 2006 Michael Wallners Liebesgeschichte „April in Paris“, in der die politische Realität während der deutschen Okkupation den Hintergrund abgab. Um Liebe in politisch unruhiger und gewalttätiger Zeitgeht es auch in Wallners jüngstem Roman, „Die Frau des Gouverneurs“. Diesmal ist Kuba während der Weltwirtschaftskrise die Kulisse, vor der sich die Figuren recht eindeutig in Gut und Böse gruppieren.

Der Chemiker Christian Tolmein aus Lübeck ist ein Guter, allerdings von der etwas lauen Sorte, was in der vorliegenden Konstellation „Mann zwischen zwei Frauen“ für klassisch fatale Verwicklungen sorgt. Er hat eigentlich Brückenbau studiert, doch bereitwillig umgesattelt, als er das Familiengeheimnis erfuhr, dass sein Großvater der Erbauer der legendär zerborstenen Brücke über den Tay war. Nun hat es sich wunderbar gefügt, dass seine Verlobte, Carlotta, die Tochter der Dücker-Hochofen AG ist; im bestens ausgestatteten Labor seines Schwiegervaters in spe soll er an der Entwicklung eines neuen Kunststoffs arbeiten.

Zunächst aber reist das junge Paar nach Santiago, wo die tüchtige Carlotta Nickelschürfrechte für die väterliche Firma ausverhandeln soll. Das gestaltet sich nicht einfach. In Kuba ist alles korrupt, und der Gouverneur gehört zu den radikal Bösen; skrupelloser ist allenfalls der US-Emissär, der noch dazu schwul und opiumsüchtig sein muss. Gemeinsam observieren die beiden Herren Yamilé, die Gattin des Gouverneurs, die mit den Minenarbeitern und den Aufständischen in den Bergen sympathisiert.

Stark ist ihr erster Auftritt im Roman: Sie fährt mit ihrem Motorrad zu schnell über eine Bambusbrücke und bringt sie dadurch zum Einsturz. Christian beobachtet die Szene, und das konzentriert den Symbolcharakter des Unglücks auf das Thema Brückenbau. Doch eigentlich ist das auch ein griffiges Bild dafür, dass private Mildtätigkeit einer Gouverneursgattin oft mehr Übles anrichtet als Gutes stiftet. So wird es dann auch kommen.

Rasante Kindesentführung

Christian ist von Yamilé fasziniert, doch viel mehr ist noch nicht passiert, als er mit seiner Carlotta Kuba verlässt. Es ist dann just die Familie Dücker, die Christian nach Kuba zurückschickt. Der Gouverneur will, dass Christian eine neue Brücke baut, was die Causa Schürfrechte doch noch befördern könnte. Nun werden Christian und Yamilé ein Liebespaar. Der Gouverneur lässt daraufhin den gemeinsamen Sohn zu Yamilés Vater bringen, einem besonders brutalen Landpatriarchen – ein Milieu, dem sie einst mit der Ehe zu entfliehen vermeinte. In einer abenteuerlichen Aktion entführen Christian und Yamilé das Kind und suchen im Rebellenlager Unterschlupf, das die Folgen tragen muss: Es wird in einer Militäraktion vernichtet.

Dass die Geschichte für Christian nicht ganz übel ausgeht, ist seiner Exverlobten zu danken. Als sie erfährt, dass Christian in Santiago hingerichtet werden soll, informiert sie ihren Vater, der keine Sekunde zögert und zum Telefon greift, um diplomatisch zu intervenieren. Das ist insofern bemerkenswert, als es just die Tage des Börsencrashs von 1929 sind und er als Konzernchef wohl einiges zu tun hat, seine Schäfchen ins einigermaßen Trockene zu bringen.

Wie immer arbeitet Michael Wallner auch hier mit raschen Schnitten und durchaus dichten Situationsbeschreibungen: gute Unterhaltungsliteratur mit Anspruch, der nicht ganz eingelöst wird. ■

Michael Wallner

Die Frau des Gouverneurs

Roman. 320S., geb., €20,60 (Luchterhand Literaturverlag, München)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2014)

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