Immer wieder . . .

Ein Gewinner steht schon vor EM-Anpfiff fest: Im Wuchtel-Windschatten finden neben würdigen Gedenkbänden mit vielen Bildern auch satirische Prosa und kritische Essays zur wichtigsten Nebensache der Welt ihren Platz auf dem Buchmarkt.

Ob Fußball-Großereignisse rundum ein Erfolg sind, lässt sich zwar erst post festum beurteilen, auf dem Buchmarkt aber werfen sie ihren Schatten voraus. So sind auch heuer wieder viele Bände über den Fußball erschienen, mit denen man die Behelligungen des Alltags verdrängen kann – ist doch das Fußballfeld schier ein psychotherapeutisches Gelände. Das beschränkt sich nicht auf die Darstellung einer glorreichen Vergangenheit in prächtigen Bildbänden, auch literarische oder essayistische Texte zum Thema finden geneigte Verlagsohren – und sogar kritische sozioökonomische Studien haben alle zwei Jahre eine Chance. Zwei Begriffe, die zum nationsstiftenden Mythos angewachsen sind, tauchen fast überall auf: „Wunderteam“ und „Córdoba“.

Ex-ÖFB-Präsident Beppo Mauhart als Herausgeber und die prominenten Sportpublizisten Johann Skocek und Wolfgang Weisgram als Hauptautoren legen im prächtigen wie informativen Bildband Die Europameister – Eine Heimkehr eine Geschichte der früheren Fußball-EMs mit vielen Daten, Tabellen, Statistiken und Matchberichten vor. Eigentlich, liest man hier, sei die Fußball-EM ja eine „österreichische Erfindung“, weil es dem „Wunderteam-Vater“ Hugo Meisl schon vor 80 Jahren gelungen war, eine (auf Mitteleuropa beschränkte) Vorform des EM-Turniers zu installieren (304S., geb., €34,90; echomedia Verlag, Wien).

Glücksmomente.Sternstunden der österreichischen Nationalmannschaft hat Matthias Marschik (Hrsg.) den mit historischem Bildmaterial versehenen Band genannt, zu dem Fußball-Experten wie unter anderem Roman Horak, Wolfgang Maderthaner (dessen Fußball-Ausstellung am 5. Juni im Wiener Rathaus eröffnet wird) und Georg Spitaler Artikel beigesteuert haben. Selten ist ein historisches Buch so interessant und amüsant wie dieses, selbst in den Niederungen der Niederlagen (208 S., brosch., €20,50, LIT Verlag, Münster).

die Bestenliste.Ganz personenzentriert gehen Hans Huber und Herbert Prohaska im Bildband Toor! – Österreichs größte Fußball-Stars vor, in dem sie über 60 heimische Starkicker präsentieren. 200 meist farbige Abbildungen erfreuen das Auge, Sta-tistiken liefern ausgiebig Datenfutter für Fachsimpeleien und Diskussionen im Freundeskreis über fehlende oder überbewertete Sportler. Mancher der hier kodifizierten Kicker wird durch das Buch vor
dem absoluten Vergessen bewahrt wie zum Beispiel Ernst Melchior oder Erich Probst, immerhin Kickerstars in den Fünfzigerjahren (176 S., geb., €24,95; Ueberreuter Verlag, Wien).

die elf.„Fußball-Professor“ WendelinSchmidt-Dengler und Andreas Weber haben in Als ich einmal Harreither in der Dusche interviewte (Margit Schreiners Geschichte über schreiberische Anfänge in einer Schülerzeitung) elf Texte zum heimischen Fußball versammelt, etwa Kurzporträts (Andreas Weber/Mario Kempes), Erzählungen (Gustav Ernst, Gerhard Jaschke, Erwin Riess) und Essays (Erich Hackl, Johann Skocek). Schmidt-Dengler verrät auch, warum er Germanist und nicht Sportreporter geworden ist (160S., geb., €19; Otto Müller Verlag, Salzburg).

Eingenetzt.Egyd Gstättner hat seine in diversen Gazetten erschienenen Fußball-Kolumnen unter dem Titel Feine Fallrückzieher herausgebracht. Der feine Kishoniker sinniert darin über „Metastasen der Fachsimpelei“ bei TV-Übertragungen, rühmt den Fußball als glottagonistische Kraft und wirft Blicke auf unsere Vorrundengegner. Nun, wenn das legendäre Córdoba-Spiel auf den 25. Juni 1978 gelegt wird, obwohl es am 21. Juni stattfand, können Datumsfetischisten ja ihren Leserbriefkugelschreiber zücken (240 S., geb., €19,95; Pichler Verlag, Wien).

Doppelpässe.31 Autoren aus Österreich und der Schweiz haben die Herausgeber Wolfgang Kühn und Michael Stiller im Band A-CH Fußball einberufen, um alle Phänomene um das runde Leder vollständig zu beleuchten. Unmöglich, auf alle Texte einzugehen, aber Antonio Fians Abgesang auf den SV Spittal („Wanderer, kommst du nach Kärnten...“) sei ebenso erwähnt wie Franzobels Elfmeter-Text „Die Entscheidung“, der auch in dessen neuem Buch „Franzobels großer Fußballtest“ (mit 50 Illustrationen von Gerhard Haderer, Picus Verlag, Wien) zu finden ist (248S., geb., €24; Bibliothek der Provinz, Weitra).

Ausländerspiele.Ausländer (Briten) haben den Sport nach Österreich gebracht, ihn auch (man beachte etwa die Namen Sesta, Smistik und Sindelar im „Wunderteam“) bereichert, dennoch sind Spieler, die im Nichtösterreicher-Verdacht stehen, oft Anlass für fremdenfeindlichesGemurre. Barbara Liegl und Georg Spitaler behandeln in der Studie Legionäre am Ball die Migration im heimischen Fußball nach 1945 – von „Murl“ Jacare bis Ivica Vastic. Sie arbeiten einzelne Legionärs-Karrieren biografisch auf und untersuchen bestehende Parallelen zwischen Diskussionen auf dem Fußballplatz und politischen Diskursen zum „Thema Ausländer“, die oft in Aggression umschlagen können (242 S., brosch., €24,90; Braumüller Verlag, Wien).

Geld und Geltung.Auch wenn Fans es noch so beklagen, Fußball ist Teil der Freizeitindustrie und durch das allgemeine Interesse für Medien und Werbung interessant geworden. Robert Prazak blickt in Der Rubel rollt hinter die Planken des ehemaligen Fußballackers, der nun als Erlebnisareal Stadion mit VIP-Plätzen vermarktet wird. Ehedem Knorrige Trainer- und Sektionsleiterfiguren sind ebenso durch Managertypen ersetzt worden wie auf dem Rasen die Fußdraufhalter durch die Handaufhalter. Erfolgreiche Vereine teilen viele Merkmale mit den Wirtschafts-Mammuts, die sie auch bereits zum Teil finanzieren. Junge Spieler werden international wie Rohstoffe gehandelt und bedürfen nach ihrem Transport zu einem Großklub eines durchökonomisierten Umfelds, das vom Finanzberater bis zum Psychotherapeuten reicht. Dass Geld noch keine Tore schießt, stimmt eher in Österreich als im Prinzip (244 S., geb., €19,90; Residenz Verlag, Salzburg).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2008)

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