Autos kommen nicht weit ohne Straßen

Der Staat als Investor sollte auch an den Erträgen beteiligt werden, so Mariana Mazzucato.

Einer der gängigen Mythen über unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem: Der Staat muss zwar Regeln für das Wirtschaftsleben schaffen, aber das Angebot an Gütern soll er nicht selbst gestalten. Das könne er den Unternehmen überlassen. Präsident Barack Obama hat vor Kurzem entsprechenden Äußerungen entgegengehalten, dass die von privaten Unternehmen produzierten Autos nicht weit kämen, wenn der Staat nicht Straßen zur Verfügung stellte.

Besonders ausgeprägt ist dieser Mythos bei technologischen Neuerungen. Unternehmen, manchmal neu und dominiert von einer Person, bringen durch neue Produkte den Fortschritt. Die Triumphatoren auf den Märkten bewirken den Triumph der Marktwirtschaft.

Mariana Mazzucato, Professorin an der University of Sussex, hält dieser Vorstellung Fakten entgegen. Es geht um den Staat als Organisator der Produktion von technologisch relevantem Wissen. Jedes der berühmten IT-Unternehmen verwendete vom Staat veranlasste und geförderte Forschung. Ähnliches gilt für die Pharmaindustrie und die Nutzung von Wind- und Solarenergie.

Der Grund für diesen nicht unerheblichen Eingriff des Staates in die Produktion ist die große Unsicherheit über den Erfolg von Forschung. Der Staat ist groß genug, Kapital für die den Privatkapitalien zu großen Risken zu übernehmen. Würde man sich auf private Investoren zur Finanzierung von Forschung verlassen, so wären die zur Verfügung stehenden Mittel viel geringer. Das gilt auch für die USA, wo privates Kapital für Startups leichter zu kriegen ist als in Europa.

Der Staat als Unternehmer

Der Staat arbeitet gemäß der Autorin unternehmerisch. Das wird auch im englischen Titel des Buches betont, „The entrepreneurial state“. Er fördert riskante Investitionen, die in der Summe positive Wirkungen haben. Kritisch wird vermerkt, dass der Staat nicht an den Erträgen beteiligt ist. Das sollte geändert werden. Der Staat soll nicht nur an den möglichen Verlusten, sondern auch an den Gewinnen beteiligt werden. Gefordert wird auch eine offenere Planung, etwa eine bessere Verankerung der Ziele bezüglich des Klimawandels.

Die gebotenen Informationen sind interessant, und das Thema ist wichtig. Fraglich ist freilich, ob der Staat unternehmerisch handelt; nämlich in Forschung investiert, um später Erträge zu erhalten. Mazzucato betont den Zusammenhang mit der Rüstung bei der IT-Forschung. Die kommerzielle Nutzung war oft ein ungeplantes Nebenprodukt der militärischen Aspekte. So wurde das Internet entwickelt, um zu verhindern, dass bei Zerstörung eines Zentrums der US-Armee die Kommunikation der gesamten Armee zerstört wird.

Noch stärker ist die Verbindung zu militärischen Zielen für die heute so wichtige Kommunikation über Satelliten. Sie wurde erst nach langer Zeit für kommerzielle Nutzungen verwendet. Wenn der Staat als Käufer der Leistungen auftritt, wie etwa bei der Rüstung, so kann er sich nicht an den Gewinnen beteiligen. Er zahlt sie ja selbst. Auch die Offenheit der Planung ist schwer zu realisieren, wenn militärische Zielsetzungen in die Forschung einfließen. Trotz dieser Kritik: Das Buch ist nützlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2014)

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