Abhängig von der Schönheit

Wolfgang Herles' Roman aus der Welt der High Society.

Hat man die Liebe zur Schönheit zu seinem Lebensinhalt erklärt, ist aber selbst nicht in der Lage, sie zu produzieren, hilft nur eines: unermesslicher Reichtum. Dann kann man sie nämlich sammeln. Man reist dann wie die Protagonisten von Wolfgang Herles' Roman „Susanna im Bade“ von der Biennale in Venedig auf die Frieze in London und von dort zu der Art Basel und zu der Art Basel/Miami Beach.

Das Jahr ist damit zum einen strukturiert, und man entgeht der Sinnleere, die ein unproduktives und vom mühsamen Existenzkampf unbeeinträchtigtes Leben so mit sich bringen kann. Man gibt sich busy, nennt sich „Sweetheart“ – der Kunst sei Dank! Zum anderen trifft man hier, vornehmlich in der Collector's Lounge, auch auf Gleichgesinnte, mit denen man sich neben pseudoästhetischen Gesprächen über die Ausstellungsobjekte auch über die wirklich wichtigen Dinge austauschen kann, etwa über die Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung, die der Kunsthandel eröffnet, die Gewinnmaximierung, die man durch den An- und Verkauf von Kunstgegenständen erzielen kann et cetera. Kurz gesagt, bewegen wir uns hier also in einem Milieu, wo Asche zu Kunst und Kunst zu Asche wird.

„Einem Sammler“, konstatiert Herles, „kannst du das Leben nehmen, wenn du ihm die Kunst nimmst – oder ihm neues Leben einhauchen, wenn du ihm Kunst schenkst.“ Schönheit als Jagd- oder „Forschungsgebiet“ mag angehen, wenn sie sich auf die Kunst beschränkt. Etwas komplizierter wird es, wenn sie sich auch auf Frauen ausdehnt. Auf Frauen, die hier en masse als „exotische Schönheiten“ und „fernöstliche Köstlichkeiten“ das Szenario des Kunstmarktes beherrschen.

Wenn Kunst zum Verhängnis wird

Die Kunst kann einem auch zum Verhängnis werden wie Herles' Hauptperson, Hans Achberg. Ihm bricht es fast das Genick. Immer tiefer verstrickt er sich in die Intrige einer Frau, die, selbst eine leidenschaftliche Sammlerin, eine überaus florierende ArtHotel-Kette betreibt. Klara liebt Hans und möchte ihn für sich gewinnen. Blöd nur, dass sie die einzig weniger Attraktive in dem ganzen, doch so ästhetischen Setting ist. Achbergs „Tra-gödie“ hat ihre Ursachen also darin, dass ihm „die, die ihn liebt, nicht schön genug ist“. Selbst dann, wenn für ihn „Schönheit nur ein anderer Aggregatzustand von Geist“ ist, pfeift er letztlich doch auf die geistigen Qualitäten seiner Adorantin und stürzt sich in eine wilde Affäre mit einer anderen Schönen, ja „der Schönsten“, die von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, denn mit seinen knapp 60 Jahren ist er selbst auch nicht mehr das, was man schlechthin als einen Beau bezeichnen würde.

Über Umwege führt ihn die aussichtslose Affäre immer tiefer in die Abhängigkeit von Klara. Durchwegs programmatisch ist der Titel von Wolfgang Herles' Roman also, denn Hans Achberg mutiert vor unseren Augen immer mehr zu einem modernen Pendant der beiden Alten, die der biblischen Susanna im Bade nachstellen. Apropos Bad! Es hätte der unzähligen Bade- und Duschszenen gar nicht bedurft, um das zu untermauern.

Insgesamt changiert der Roman, den Wolfgang Herles vorlegt, zwischen den Genres von intelligentem Kriminalroman und unterhaltsamer Sommerlektüre. Er ist geistreich konzipiert und durchgeführt sowie witzig erzählt. Jedoch weder die Reminiszenz an die Episode aus dem Alten Testament noch die kunsthistorischen Fakten, mit denen er gespickt ist, verleihen ihm die Tiefe, die ihn darüber hinausheben würde. Dazu bleiben seine Figuren zu blass und austauschbar. ■

Wolfgang Herles

Susanna im Bade

Roman. 272S., geb., €20,60
(S.Fischer Verlag, Frankfurt/Main)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2014)

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