Was ich lese

Moderatorin, Kulturredakteurin und Dokumentarfilmerin
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„Das Einzige, was den Menschen gemeinsam ist, sind Geschichten“, schreibt Varujan Vosganian in seinem Buch des Flüsterns (Zsolnay Verlag). Es sind faszinierende, märchenhafte, lebensfrohe und zutiefst erschütternde Geschichten über das Volk der Armenier, das 1915 im Osmanischen Reich durch einen Genozid fast völlig vernichtet worden ist: Ausplünderung, Abschlachtung durch türkische Soldaten und kurdische Banden.

Es geht um Tod, Vertreibung und für viele, die entkommen konnten, um einen Neuanfang in Rumänien. „Sie konnten nicht in der gleichen Erde sterben, aus dersie geboren wurden.“ Der Autor, 1958 in Craiova, Rumänien, geboren, ist Präsidentder Vereinigung der Armenier, war von 2006 bis 2008 rumänischer Finanz- und Wirtschaftsminister und ist seit 2013 wieder Wirtschaftsminister in seinem Land.

Diese Geschichte ist nicht seine Geschichte. Sie begann lange vor seiner Kindheit, als die alten Menschen, die nun die „Helden“ in seinem Buch sind, nur im „Flüsterton“ sprachen. Und sie begann in heute legendenumwobenen Orten wie Trapezunt, Bitlis und in der Region Kilikien, im östlichen Anatolien.

Es ist das dritte Buch, das ich über die Armenier lese. Franz Werfel hat deren Geschichte in den „Vierzig Tagen des Musa Dagh“ erstmals literarisch verarbeitet, Edgar Hilsenrath die Tragödie dieses Volkes in seinem Buch „Das Märchen vom letzten Gedanken“ geschildert. Für mich weckt dieser Roman auch persönliche Erinnerungen an Rumänien, an den Geruch von Naphthalin, an Pferdewagen, die Milch in großen Aluminiumkannen transportierten, an Nachrichtentrommler, Gaslampen und Wochenschauen im Kino. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2014)

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