Keine Falte ausgelassen

Auf den Knien geschrieben: Götz-George-Biografie.

Das Berührendste ist der Anfang: Der siebenjährige Götz George besucht am 6. September 1945 seinen Vater Heinrich, den die Sowjets als „einen der größten Nazi-Schauspieler“ und Propagandisten des NS-Regimes ins Gefängnis gebracht haben. Es ist das letzte Mal, dass die Familie zusammenkommt. Am 25.September stirbt Heinrich an einer Blinddarmentzündung. Es folgt das lesenswerte Kapitel „Familienbild Heinrich George“. Auch wenn der Kraft-Mime vielen heute kein Begriff mehr ist, den „Postmeister“ wird mancher nicht vergessen haben: Gustav Ucicky verfilmte 1940 die Puschkin-Novelle (Alter Mann verliert seine bildschöne Tochter, Hilde Krahl, an die sündige Stadt, tendenziös in der Beschreibung der Russen, aber packend).

Dass sich in den Schilderungen Heinrich Georges Sätze wie „Der Krieg ist ein großer Lehrer“ eingeschlichen haben, lässt indes Böses ahnen. „Götz George, mit dem Leben gespielt“, heißt die Biografie, die der deutsche Journalist Torsten Körner rechtzeitig zum 70. Geburtstag des Schauspielers (23. Juli) verfasst hat. Körner erkundete auch Heinz Rühmann und Franz Beckenbauer. Das Buch ist, wie es so schön heißt, eine Biografie auf den Knien, die vor allem glühenden George-Fans Freude bereiten dürfte. Es wird keine Falte seines Daseins ausgespart. Auf einem der Fotos sieht man ihn zu Pferde, in wilder Pose schießend wie einen Westernhelden. So ungefähr ist das ganze Buch, Hagiografie, eher zum Blättern als zum Lesen geeignet. ■

Torsten Körner
Götz George. Mit dem Leben gespielt Biografie. 480 S., geb., €20,50 (Scherz Verlag, München)

Weltdeutung Ein interdisziplinärer Zugang zum Phänomen Kunst. Von Robert KasparLudwig Wittgenstein sagte, es gäbe Begriffe, die man nicht definieren kann. Als Beispiel nannte er den Begriff „Spiel“. Ebenso könnte man in diese Kategorie den Begriff „Kunst“ aufnehmen. Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Begründer der Humanethologie, versucht mit der Kunsthistorikerin Christa Sütterlin, einen Zugang zum Phänomen Kunst zu finden, der von der Verhaltensbiologie bis zu den Grundlagen unserer Wahrnehmunsfähigkeit reicht.

Unter „Weltsprache“ verstehen die Autoren das Phänomen, dass Kunst Universalien anspricht, die tief in der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit verankert sind. Kunst kann immer nur als Interpretation verstanden werden. Neuere Erkenntnisse der Hirnforschung beweisen, dass jede Wahrnehmung bereits im betreffenden Sinnesorgan eine Interpretation bedeutet – wir bilden die Welt nicht fotografisch ab, sondern als Modell; das heißt: Wir deuten die Welt.

Das bedeutet nun aber nicht, dass
die biologischen Voraussetzungen, um Kunst als „Weltsprache“ verstehen zu können, a priori ein Instrument abgeben, ein Kunstwerk qualitativ zu beurteilen. ■

Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Christa Sütterlin
Weltsprache Kunst
Zur Natur- und Kunstgeschichte bildlicher Kommunikation.
400S., geb., € 49,90 (Brandstätter Verlag, Wien)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2008)

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