Friederike, Lehrerin

Nach einer Umfrage unter 333 Personen (im Rahmen der Initiative für wahre Schönheit des Jahrs 2014) sind sich 2 von 3 Befragten in einem einig

Nach einer Umfrage unter 333 Personen (im Rahmen der Initiative für wahre Schönheit des Jahrs 2014) sind sich 2 von 3 Befragtenin einem einig: eine intensive Friederike-Mayröcker-Lektüre ist die beste Nahrung für die vertrocknete Seele zweierlei/dreierlei/mehrerlei Geschlechts, und sie (diese Lektüre) lindert auch die etwaigen Begleiterscheinungen solch unproduktiver Psycho-Zustände, welche sich in Haltung und Physiognomie unvorteilhaft widerspiegeln, testen Sie noch heute dieses Pflegeprogramm für Ihr Inneres und Äußeres auf dem Königsweg der Selbstlektüre!

Friederike Mayröckers einzigartigeKombination von suggestivem Sprachstil und aufbauender Geistesnahrung (oft unerwartet, rätselhaft, ja paradox dargeboten) wird die als trostlos empfundene Ödnis Ihres seelischen Interieurs verschwinden machen und in eine durchgehend positive Grundbefindlichkeit umwandeln,ankernd im Hier und Jetzt der Erscheinungen und deren kühner Benennung sowie sprachlicher Durchdringung, in einer motivischen Repetitionstechnik ohne mechanisch wummernde Basslinien, dafür in hoffnungsfroh wiederkehrenden Neuansätzen der Oberstimmen und in diskreten Aufforderungen aus den verhallenden Echos heraus, sofern man sich die dafür nötige NachhallHörZeit nimmt, das sind im weitesten Sinn transmoralische Appelle ganz ohne das gewohnte: „man merkt die Absicht und ist verstimmt“, dafür tun sich im Idealfall punktuell Blicke durchsvisionäre Fenster in eine andere Wirklichkeit auf, halluzinatorisch.

Während solcher Lektüre-Kur voll berückender Schönheit und heilsamer Stärkung der Aura (vergleichbar mit minutenlangem Verharren in der Gabel eines Zwieselbaums) kann es da und dort zur verblüffenden Einsicht kommen: dass nämlich in dem von FM vorgegebenen poetischen Rahmen präzise Ansprachen ganz persönlich an die derart kurende Person gerichtet sind und virulent werden,obwohl doch jeder betroffenen Patientin klar sein muss, dass die Autorin vom Zustand der aktuellen Leserin zu deren Lektürezeitpunkt gar nichts wissen kann. Ein System von namentlichen, initialisierten, auch anonymisierten, gar irreführenden Widmungen und Zuschreibungen könnte dieses Klima des persönlich-Angesprochenseins miterzeugt haben, da komm ichja drinnen vor: könnte jemand in solchem Fall unqualifiziert auszurufen sich veranlasst fühlen, oder mitnichten reflektierter flüstern: mea res agitur.

Besagte Kur beginnt nach einem MarmorstaubPeeling durch fremde kompetente Hand mit intensiver SelbstTherapie mittels sprachkommentargestützter Lotion, neologistischer Handcreme undoberhautdurchdringender BodyButter ambesten capriler Produktion (Stichwort:Schweizer Ziegenbutter), kombiniert mit eigenen verbalen Essenzen, Extrakten, Exzerpten, u.z. in einem Pflegevorgang, der einem bald zur zweiten Natur geworden sein wird, Frage: warum sollte es Ihnen nicht genauso wie anderen mitschwingenden Seelen gehen, dass Sie nämlich gar nicht mehr auf die heilsame Wirkung solchtäglicher Aneignungskur verzichten wollen, im Sinn des bekannten, hier aber vomSakralen ins Pagane gewendeten benediktinischen Dreischritts: ora, labora et lege (bete, arbeite und lies lies lies, nämlich selbst selbst selbst, wenn dir schon nicht aus fremdem Mund vorgelesen wird). ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2014)

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