Was ich lese

Sopranistin, Ensemblemitglied der Wiener Volksoper, derzeit in „La Bohème“
[ Foto: Johannes Ifkovits/Volksoper ]

Nüchtern und unsentimental schreibt Henri Murger in Die Bohème Geschichten über Pariser Künstler, die sich mit Witz, Ironie und viel Lebenskunst über Wasser halten. So als hätte er alle großen Emotionen unter den längst verpfändeten Tisch gekehrt und Puccini sie persönlich von dort hervorgeholt und in Musik gegossen. Die Frauen darin in ständigem Zwiespalt zwischen Poesie und Überleben, scheinbar leichtfüßig im Entweichen und Wiederkehren. Über ihr Fehlen wird hinweggespielt, ihr Erscheinen ist essentielle Belebung.

Fern von Künstlerelend und Existenznöten, aber voll von Enthüllungen über Puccinis erotische Verstrickungen: Helmut Kraussers Die kleinen Gärten des Maestro Puccini (DuMont Buchverlag), ein teils fiktiver, teils auf Recherchen basierender Roman über Puccini, Frauen, Freunde und Verleger. Eine spannende und aufschlussreiche Lektüre auf Flugreisen (besonders bei Streik).

Ich bleibe in Italien, eines meiner Lieblingsbücher ist Herr Palomar vonItalo Calvino (Fischer Taschenbuch Verlag). Calvino zeigt sich in diesem Buch als stiller, aber umso genauerer Beobachter des Alltäglichen. Liebevoll schildert er die Poesie einer Meereswelle mit mathematischer Exaktheit, vergleicht Stimmen der Vögel und die Gespräche mit seiner Frau und amüsiert mit seinen Betrachtungen über sich selbst, während er am Strand an einer nackten Schönheit vorbeigeht. Damit die Beobachtungen wirklich analytisch präzise gemacht werden können, muss er natürlich immer wieder an der Schönen vorbei. Auch dieses Buch endet mit dem Tod, womit der Kreis zu „La Bohème“ wieder geschlossen wäre. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2015)

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