Was ich lese

Gründungsdirektorin der heutigen Europäischen Menschenrechtsagentur
[ Foto: Picturedesk]

Am liebsten lese ich zwischen den Zeilen – das betrifft mein „wirkliches“ Leben und die Bücher, die meine Neugier erwecken. Es ist das kaum Greifbare, was von mir entdeckt werden will. Das, was nicht gesagt ist und doch mitschwingt. So sind es die Zwischenräume und die Zwischentöne, die mich faszinieren.

Es ist Lyrik, die meinen Geist und meine Seele beflügelt – zum Beispiel Rainer Maria Rilke mit dem Stundenbuch, Mascha Kaleko mit dem Gedichtband In meinen Träumen läutet es Sturm oder Alfons Herguths Magische Räume. Nichtzu vergessen Christine Lavants Spindel im Mond. Sie verbinden für mich Stärke und Zerbrechlichkeit, Klarheit und Fantasie, Sehnsucht und Traurigkeit, Hoffnung und Spiritualität.

Auch Autoren wie Daniel Kahneman mit Schnelles Denken, langsames Denken (Pantheon) oder John Bergers Das Leben der Bilder oder die Kunst des Sehens (Wagenbach) zeigen mir verborgene Welten. Ehe ich es vergesse: Annelie Keils Buch Wenn die Organe ihr Schweigen brechen und die Seele schweigt(Scorpio) hat mir eine andere Sichtweise auf Gesundheit und Krankheit geschenkt. Nicht zuletzt bewegt mich die aktuelle Krise. Da hält mich der Thriller Quantum Dawn von Thore D. Hansen (Europa) in Atem, der die Abgründe einer entfesselten Finanzwelt zeigt.

Doch dann wiederum werfe ich den Blick zurück nach vorn, krame die Büchervon Michel de Montaigne oder Jean Paulhervor, vergesse die Welt um mich herum und genieße den Schatz alter Weisheit, die mich mit Lebensfragen verbinden wie: Was macht ein erfülltes Leben aus? ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2015)

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