Der Heilige im Bademantel

Satirisch: In Klaus Oppitz' Roman „Landuntergang“ wird Österreich zum Polizeistaat.

Ueberzeichnung schafft Distanz, und aus der Distanz lässt sich das meiste besser erkennen, auch politische Vorgänge. Die literarische Form der Überzeichnung ins Komische, die Satire, prangert Missstände zwar an, sie tut es jedoch auf eine Art, die uns mitunter schmunzeln oder sogar laut lachen lässt.

Zum Lachen bringt uns Klaus Oppitz mit „Landuntergang“, seiner, wie der Titel schon sagt, nicht gerade rosigen Zukunftsvision von Österreich, allemal. Was bleibt, ist gelegentlich ein bitterer Nachgeschmack. Österreich ist aus der EU ausgetreten und hat sich unter dem Diktator Michael Hichl zu einem rechtsradikalen Polizeistaat entwickelt. Der Euro ist abgeschafft, der gute alte Schilling wieder eingeführt, nur ist er leider gar nicht mehr gut, sondern nur noch alt und de facto wertlos. Das Land ist verarmt, grau, ja trostlos, der Sehnsuchtspunkt die Türkei. Jeder schlägt sich durch, so gut er kann, und die, die nicht mehr können oder wollen, formieren sich irgendwo tief im Mühlviertel zu einer Terrormiliz, der Christlichen Republik. Ihre Anhänger, die Christisten, bedrohen das Land mit Attentaten und haben vor, es vom Mühlviertel aus zu erobern.

Es sind vier Handlungsträger, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aus deren Perspektive Oppitz die Geschichte vom Untergang Österreichs erzählt: zwei Frauen und zwei Männer. Für jeden von ihnen findet Oppitz eine eigene Sprache, anhand derer er sie zu so etwas wie Prototypen denkbar möglicher politischer oder unpolitischer Haltungen stilisiert.

Da wäre einmal Alvine, ein junges Mädchen aus Oberösterreich. Sie verdient das wenige, was sie zum Überleben braucht, in einer Textilfabrik in einer der Billiglohnregionen, in denen Markenkleidung nicht etwa für Österreicher – die können sich das längst schon nicht mehr leisten –, sondern für das Ausland produziert wird. Mit einer fast rührenden Naivität geht sie durchs Leben und gelangt eher unbeabsichtigt zu den Christisten, von deren politischen Ambitionen sie zwar nicht viel versteht, in deren Anführer Pascal sie sich jedoch Hals über Kopf verliebt.

Nicht alles schlecht unterm Hichl

Nicht, dass Pascal das hätte werden wollen, der Grund für seine Protegierung liegt vielmehr in einer unglücklichen Verkettung von Ereignissen, etwa seiner überstürzten Flucht aus Wien im Bademantel, wo man ihn aufgrund seiner Homosexualität verfolgt. Im Mühlviertel hält man ihn wegen des Bademantels für einen Engel (Alvine) oder zumindest für einen Priester – und macht ihn zum Anführer. Seine rechte Hand ist Emma, ihres Zeichens Mastermind der Christlichen Republik. Sie stückelt aus der Bibel Reden für Pascal zusammen, nicht ohne zu bedauern, dass dort Worte wie „sprengen“, „Explosion“ oder Phrasen wie „in die Luft jagen“ nicht vorkommen.

Gemeinsam mit ihm zeichnet sie auch verantwortlich für die Gesetzgebung der Christlichen Republik, die der von Hichls Diktatur frappant ähnelt. Die lapidare Begründung lautet, „dass nicht alles schlecht war unterm Hichl“. Im Zuge der alles entscheidenden Schlacht gegen die Staatsgewalt, bei der letztlich nichts entschieden wird, weil beide Heere fliehen, gerät der verwöhnte Sohn eines führenden Parteimitglieds, ein Tunichtgut erster Güte, in die Hände der Christisten.

Das Fazit von Klaus Oppitz' wirklich unterhaltsamer Satire: Auch wenn man esgut meint, läuft nicht immer alles glatt – Regieren ist zum Scheitern verurteilt, vor allem, wenn persönliche Eitelkeiten ins Spiel kommen. ■

Klaus Oppitz

Landuntergang

Roman. 336 S., geb., € 19,90 (Residenz Verlag, Salzburg/Wien)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2016)

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