Was ich lese: Eduard Kutrowatz

Was haben Liszt und Japan gemeinsam, außer dass ich mich persönlich für beide Welten begeistere und mich darin zu Hause fühle?

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki heißt ein Roman des japanischen Bestsellerautors Haruki Murakami (DuMont Verlag), der beide Welten subtil vereint. Bereits im Titel ist der Bezugzu Liszts monumentalem Klavierzyklus „Années de pèlerinage“ („Pilgerjahre“)sichtbar und lässt die Handlung erahnen: das hoffnungsvolle Sehnen, die vergebliche Suche und der schmerzhafte Verlust geliebter Menschen als Grundthema einergroßen Lebensreise.

Tazaki, ein Mann Mitte 30, stellt sich seiner Vergangenheit und sucht seine Freunde aus der Oberstufenschulzeit, um endlich zu ergründen, warum sie damals jeglichen Kontakt zu ihm abrupt beendet hatten. Wie so oft spielt in Murakamis Romanen die Musik eine große Rolle, in diesem Fall Klaviermusik von Franz Liszt. Das Innehalten während dieser verworrenen und labyrinthischen Reise wird stetsbegleitet vom achten Stück des ersten Bandes aus Liszts „Années“, das bezeichnenderweise den Titel „Heimweh“ trägt („Le mal du pays“).

Mystische Elemente und die oftmalige Auflösung der Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit sind typisch für Murakamis Stil. Meine Empfehlung: Es dem Herrn Tazaki gleichtun und beim Lesen immer wieder innehalten mit Klaviermusik von Franz Liszt. Murakami erwähnt speziell die großartige Fassung des russischen Pianisten Lazar Berman. Ich erlaube mir, auf die unglaublich emotionale Aufnahme von Boris Bloch zu verweisen, einen Live-Mitschnitt vom Liszt Festival Raiding.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2016)

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