Fi Fo fliegt nach China

Zwischen Schönbrunn und dem Rest der Welt: Clemens Bergers surrealer Panda-Roman.

Einen Mangel an Welthaltigkeit wird man dem jüngsten Roman von Clemens Berger nicht vorwerfen können. Seine 670 Seiten sind gefüllt mit unkonventionellen Details, die der Autor zunächst im geografisch engen Umkreis von Wien, später auch in Frankreich, Slowenien, Italien, Andorra, Tunesien oder Vietnam entdeckt. Zeitgeschichte von der FPÖ und dem Exbundeskanzler mit dem Mascherl bis zu den ertrunkenen afrikanischen Flüchtlingen kommt in Stichwörtern, nicht als Thema, als Hintergrund ins Spiel. Das liest sich flüssig, ist im Sprachstil elegant und doch unmanieristisch.

Drei Figuren stehen im Mittelpunkt des Romans: das Liebespaar Pia und Julian und der Maler Kasimir Ab, der, anders als die meisten Maler im wirklichen Leben, allein durch den Verkauf seiner Bilder so reich ist, dass er sich, ohne zu zucken, einen Ferrari kaufen könnte. Die Erzählung wandert reihum zur je individuellen Sicht der einzelnen Figuren. Zu diesem Zweck wechselt der Schauplatz nach Schönbrunn, wo der Panda Fi Fo, den der Titel ankündigt, geboren wurde. Der junge Panda kann sogar, ein wenig geschwätzig, Tagebuch führen.

In Schönbrunn arbeitet die Tierpflegerin Rita. Sie ist Pias und, wenngleich nicht im wörtlichen Sinne, auch Fi Fos Mutter und wird nach dem ersten Drittel des Romans zum lockeren Verbindungsglied zwischen den Handlungssträngen. Ausführlichkeit ist in diesem Roman Methode, die Genauigkeit der Beobachtung sein Kennzeichen. Nicht immer gelingt das ohne Klischees, bei den nicht zu knappen erotischen Szenen fallen auch Berger gelegentlich nur die üblichen Versatzstücke ein, aber meistens findet er Formulierungen, die eine neue Sicht auf Vertrautes ermöglichen.

Kunstbetrieb, satirisch betrachtet

Eine Kostprobe: „Die großen Fenster des Palmenhauses waren in ein dunkles Orange getaucht, in der Ferne, jenseits des Schlosses, leuchtete der Himmel dunkelrot. Die Hietzinger Kirche war von mattem Gelb beschienen, über der kahlen Mauer war bloß ihre Spitze zu sehen. Die Laternen brannten, Rita war, als sähe sie alles zum ersten Mal. Als wäre sie nicht schon Hunderte Male an ähnlichen Tagen zur Straßenbahn gegangen.“ Sogar über Fußball gibt es längere Passagen. Dass Kasimir Hände malt, liefert Berger Gelegenheit, genau solche, also Hände, exzessiv zu beschreiben. Nebenbei finden sich mild satirische Bemerkungen über den Kunstbetrieb.

Im zweiten Teil wandelt sich der Roman zu einer Art epischem Krimi, der im allerersten Kapitel andeutungsweise vorweggenommen wurde. Er ist der Vorwandfür eine Fluchtgeschichte, die Pia und Julian in neue Umgebungen versetzt, ohne dass Kasimir Ab und der Panda aus dem Blickfeld gerieten. Hinzu kommt der „Unbekannte Künstler“, der, wie einst Kilroy, omnipräsent zu sein scheint – ein Botschafter zeitgenössischer Medienwelt.

Der dritte Teil des Romans beginnt mit einem langen Kapitel über den Panda Fi Fo, der zum Leidwesen von Rita von Österreich nach China ausgeflogen wird. Es ist eine Mischung aus tierschützerischer Empathie und – unfreiwilliger? – Skurrilität. Mit Rita und dem Panda kommt so auch noch China in den Roman, der zunehmend an einen Reiseführer denken lässt. Hier allerdings scheint sich der Autor zu verlaufen. War auf den ersten 500 Seiten noch so etwas wie ein Handlungsfaden zu erkennen, so nimmt gegen Schluss, vor dem knappen surrealen Ende, das Prinzip der bloßen Additionüberhand. ■

Clemens Berger

Im Jahr des Panda

Roman. 670 S., geb., € 24,70 (Luchterhand Literaturverlag, München)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2016)

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