Schaber über Gauß: Nun also, wer bin ich?

Karl-Markus Gauß hört genau hin auf seinen Reisen. Er verabredet sich mit Autoren, ist neugierig auf Zufallsbekanntschaften. Einmal wird er verhaftet, ein andermal bedroht. Über Geheimnisvolles, Nicht-Zugängliches erzählen die vier Reisegeschichten in „Zwanzig Lewa oder tot“.

Es gibt Orte, denen weicht man aus. Man wechselt Spur und Richtung, um ihnen nicht näherzurücken, und ergreift die Flucht, wenn derart gefürchtete Landstriche in der Ferne auftauchen. Bei Karl-Markus Gauß war es die Batschka, die er weitläufig umfahren hat. Seine Mutter hat es gekränkt, dass der Sohn in Litauen, der Gottschee oder Kalabrien unterwegs war und ihre Heimat beharrlich mied. Futog, Palanka, Warschetz: Wie einen Zauberspruch konnte er die Namen der Städte aufzählen, in denen die Donauschwaben und somit seine Vorfahren gelebt haben. Doch dort hinfahren? Eine seltsame Scheu hielt ihn davon ab. Bis seine Mutter starb. Erst da hatte er freie Bahn, wie es scheint.

„Zwanzig Lewa oder tot – Vier Reisen“ nennt Karl-Markus Gauß sein jüngstes Buch und gibt ihm einen Satz des kroatischen Dichters Slavko Mihalić mit auf den Weg: „Öffne die Augen, und du wirst sehen: Hier bist du daheim.“ Gauß lässt sich durch die Republik Moldau, Serbien, Bulgarien und Kroatien treiben und landet dabei immer wieder bei sich selbst. Der Essay über „Die toten Mädchen von Futog“ ist der Angelpunkt des Bandes. Von seiner Kindheit in Salzburg hat Gauß ja schon mehrfach erzählt – „Ich war der einzige gebürtige Österreicher der Familie“ –, auch davon, dass seine Eltern neben Deutsch noch Ungarisch oder Serbokroatisch miteinander sprachen. Die beiden waren Ende 1945 in Österreich gestrandet und jahrelang in einer Barackensiedlung für Heimatvertriebene einquartiert. Die Wohnung, in die sie schließlich übersiedelten, war zugleich „Beratungsstelle für Volksdeutsche“. Dort gab es neben Hilfe aller Art „Guchen und Gäggsä“ und Diskussionen ohne Ende, viele unter Tränen.

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