Sprachspaltereien: Grüß Gott, Mohnstriezerl!

Tschüss, Berlin! Drei „deutsche“ Jahre, jetzt geht's zurück nach Wien. Den saloppen Gruß kann ich in der Heimat beibehalten, umstellen muss ich mich dennoch.

Tschüss, Berlin! Drei „deutsche“ Jahre, jetzt geht's zurück nach Wien. Den saloppen Gruß kann ich in der Heimat beibehalten, umstellen muss ich mich dennoch: In Deutschland verabschiedet man sich nämlich auch von jenen mit „Tschüss“, mit denen man per Sie ist. Tschüss, Frau Merkel! Der kesse Gruß blieb übrig vom früheren „Atschüs“, das dem romanischen Sprachraum entlehnt ist: Adieu, „zu Gott“.

Endlich darf ich zum vertrauten „Grüß Gott“ zurückkehren! Dafür erntet man in Norddeutschland eher Spott: „Ja, lassen Sie ihn schön grüßen!“ Beim Bäcker kann ich künftig wieder Kornspitz und Mohnstriezerl bestellen, das kriegen sie in Berlin nicht hin, weder sprachlich noch backtechnisch. Ich darf wieder „heuer“ sagen, ohne dass dies als „heute“ missverstanden wird. Wenn ich vom Lurch erzähle, der durch meine Wohnung kriecht, wird man selbigen nicht für ein Haustier halten – aber das ist mir selbst in Innsbruck schon passiert. Die Berliner Schnauze, der sich mit dem Wiener Schmäh bestens kontern lässt, wird mir fehlen! „Bevor du Wurst sagst, hab ich sie gefressen!“ – So schnell ist der Berliner! Verzweifelt suchte ich das richtige Fleisch für Schinkenfleckerln. Geselchtes, Teilsames? Das kennt in Berlin keine Sau! Von Fleckerln ganz zu schweigen.

„Allet tutti bei Ihnen, Frau Male?“, pflegte sich der Hausmeister regelmäßig zu erkundigen. „Hallo, alte Stammi!“, grüßte der Spielzeughändler, bei dem mein inneres Kind all die Jahre Stammkunde war. Gefallen hat mir immer auch Armin Wolf, wie er sich von den „Zusehern“ verabschiedete, die „via 3sat dabei waren“. Deutsche, die mit Österreichern die ZIB2 „gucken“, zerkugeln sich übrigens über den Ausdruck „Zuseher“. So was von altmodisch, finden sie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2011)

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