Treffer: Das kommt vom Rudern

Ein seltsamer Empfang!, dachte sich der junge Tonsetzer im Jahr 1924 – üblich vielleicht bei Studenten aus Oxford oder Cambridge, die sich auf ihr Frühlingsrennen vorbereiten.

Ein seltsamer Empfang!, dachte sich der junge Tonsetzer im Jahr 1924 – üblich vielleicht bei Studenten aus Oxford oder Cambridge, die sich auf ihr Frühlingsrennen vorbereiten. Oder war das, was da auf ihn wartete, der kümmerliche Restposten der ehedem ruhmreichen deutschen Marine?Denn immerhin war er im märkischenGrünheide bei Berlin aus dem Zug gestiegen, um einem Kaiser einen Besuch abzustatten. Nein, nicht dem Hohenzollern,der war längst im Exil. Sondern Georg Kaiser, dem erfolgreichen Dramatiker desExpressionismus. Nun wollte man über eine Zusammenarbeit sprechen.

Doch von Kaiser keine Spur am Bahnhof. Stattdessen wartete da Karoline Wilhelmine Charlotte Blamauer, deren Nameuns heute nichts sagt, weil sie seit 1921 unter einem anderen berühmt wurde.Die in tristen Wiener Verhältnissen aufgewachsene Blamauerin (Mutter Waschfrau, Vater alkoholkranker Kutscher) war vom Kaiser-Haus über den See zumBahnhof gerudert und bat nun den Ankömmling, ins Boot zu steigen, damit sie ihn zu seinem Gastgeber bringen könne. So ging es erneut über den See. Ob diese Abholaktion der Grund war, dass Amors Pfeil sein Ziel fand, ist ungeklärt. Jedenfalls entbrannten die beiden bald in Liebe zueinander. Das ergab eine nicht unheikle Situation für den Dramatiker, logierte die Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin doch nicht rein zufällig in seinem Haus.

Er erwies sich allerdings als noblerGastgeber – und stellte dem jungen Paar 1925 sogar seine Berliner Wohnung zur Verfügung. Ja, geheiratet haben die beiden dann auch, 1926, weil der Tratsch über sie doch unangenehm geworden war. Zwei Jahre später sollten sie gemeinsam einen großen Triumph feiern (auch wenn ihr Name auf dem Besetzungszettel der Premiere versehentlich fehlte), an dem auch ein Dritter beteiligt war. Dabei hatte es lange nicht nach einem Erfolg ausgesehen. Weil die Stimmung im Publikum recht verhalten, ja fast ablehnend war, hatten Autor und Komponist kurz überlegt, sofort in ein Kino zu flüchten. Doch nach einem Song brandete riesiger Applaus auf. Jubel am Ende! Verfilmung! Die Sängerin ließ sich 1933 scheiden, um den Besitz ihres Mannes vor den Nazis zu retten. Doch man blieb miteinander verbunden, wenn auch lose. ■

Wer traf wen? Der Triumph? Der Dritte?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2012)

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