Wir sind Urheber!

Ein offener Brief der deutschen Zunft der Spieleautoren stört die traute Ruhe der Spielwarenbranche rund um die Nürnberger Messe. Die Autoren wollen Sozialversicherung, Urheberrecht – und Anerkennung.

Nürnberg!Wie jedes Jahr um diese Zeit versammelt sich diese Woche die internationale Spielwarenbranche im Messezentrum am Rande der Stadt, um Großhändlern die neuesten Errungenschaften auf dem Sektor der Unterhaltungsprodukte für Kinder und Kindgebliebene näherzubringen. Diesmal bekommt die Spielwarenmesse aber auch einen gesellschaftspolitischen Touch. Denn die deutsche Spieleautorenzunft, eine Art Gewerkschaft von mehr als 400 Spieleschöpfern aus ganz Europa, hat die Zeit, in der praktisch alle Medien Artikel über den Wirtschaftsfaktor Spiel bringen, genutzt, um per offenem Brief auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Und diese dürfte nicht so rosig sein, wie es der Bezug zum Spielerischen auf den ersten Blick vermuten lässt. Da er interessante Einblicke in den Alltag von Spieleautoren zulässt, geben wir den Brief der Zunft hier ungekürzt wieder. gr


Forderungskatalog der Spieleautorenzunft (SAZ) an den 18. Deutschen Bundestag und an die Deutsche Bundesregierung:
1. Das Urheber- und Vertragsrecht muss gestärkt werden. Einer Vertragsfreiheit zulasten der Urheber müssen klare Grenzen gesetzt werden.
2. Bei einer Reform des Urheberrechts sollte klarer zur Geltung kommen, dass auch Spieleautoren bzw. Spielregelwerke urheberrechtlichen Schutz genießen.
3. Die Künstlersozialkasse (KSK) muss erhalten und nachhaltig stabilisiert werden. Notwendig sind dafür auch eine entsprechende Anwendung des Gesetzes (z.B. auch auf Honorare für Spieleautoren) sowie eine flächendeckende Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV).
4. Spiele (Kulturgut, Medien und Sprachwerke zugleich) müssen in den Sammlungskatalog der Deutschen Nationalbibliothek aufgenommen werden.
5. Die Unterstützung für das Kulturgut Spiel muss alle Formen berücksichtigen und darf nicht – wie im Koalitionsvertrag geschehen – einseitig auf digitale Formen fokussiert werden. Eine solche verengte Sichtweise auf ein viele Jahrtausende altes Kulturgut wird diesem in seiner Bedeutung für unsere Gesellschaft nicht gerecht.


Die Anerkennung des Kulturguts Spiel hinkt der Realität hinterher. „German Games“ sind seit vielen Jahren in internationalen Fachkreisen ein gängiger Begriff für anspruchsvolle Brett- und Kartenspiele deutscher Autoren und deutscher Verlage. Dadurch stellen sie auch einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Davon zeugt auch die internationale Spielwarenmesse in Nürnberg.

Der hohe Standard deutscher Spiele war insbesondere in Europa beispielgebend. Mittlerweile wird international zunehmend von „European Games“ gesprochen. Hier ist es im besten Sinn gelungen, mit deutschem Kulturgut positive Impulse auch in andere europäische Länder zu geben und dadurch ein überregionales europäisches Kulturgut zu schaffen.

Die kreativen Köpfe – die Urheber – hinter diesen Spielen, die Spieleautorinnen und Spieleautoren, sind allerdings noch Stiefkinder in der öffentlichen Wahrnehmung und Anerkennung sowie teilweise auch in der Rechtsprechung geblieben.

Kennen Sie zum Beispiel die Spieleautoren Reiner Knizia(Keltis), Max J. Kobbert (Das verrückte Labyrinth), Wolfgang Kramer(6 nimmt), Klaus Teuber (Siedler von Catan)oder Klaus-Jürgen Wrede (Carcassonne)? Alles Autoren und Spiele, die auch international sehr erfolgreich sind und mit vielen Preisen ausgezeichnet wurden. Insgesamt erzielten Spieleautoren, die Mitglieder der Spieleautorenzunft sind, mit ihren Spielen im vergangenen Jahr 2013 weltweit über 100 Preise und Nominierungen.

Die Spieleautorenzunft e.V. (SAZ) vertritt die Interessen von über 400 Mitgliedern und setzt sich für die Stärkung des Kulturguts Spiel in der Gesellschaft ein. Dabei engagiert sich die SAZ als Mitglied im Deutschen Kulturrat (Rat für Soziokultur und kulturelle Bildung) sowie in der Initiative Urheberrecht und ist Fördermitglied im Institut für Urheber- und Medienrecht.

Eine kleine Übersicht zum Status der Spielautoren in der gesellschaftlichen und rechtlichen Gegenwart:
•Spieleautoren und Verlage: Spieleautoren schließen mit den einzelnen Spieleverlagen Nutzungsverträge ab, die damit ihre Urheberrechte ausdrücklich anerkennen. Aber: Die Interessenvereinigung der deutschen Spieleverlage, die Fachgruppe Spiel im Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI), zweifelt den Status der Spieleautoren als Urheber an. Dies begründet sie mit kartellrechtlichen Bedenken, um sich Verhandlungen nach § 36 UrhG mit der SAZ zu entziehen.
•Spieleautoren als Urheber (Autoren von Sprachwerken): Spieleautoren werden von der VG Wort als Mitglieder in der Berufsgruppe 2 (u.a. Autoren für Sachliteratur) akzeptiert und partizipieren an den Ausschüttungen der Bibliotheksabgabe. Hier sind sie also als Autoren von Sprachwerken anerkannt. Aber: Die Rechtsprechung ist zum Teil vom Unwissen über eine (Rand-)Problematik geprägt. Daraus resultiert für alle Beteiligten eine unsichere Rechtslage. Dabei legen einige Urteile an Spielregelwerke durchaus die gleichen Kriterien an wie an andere Werkformen und bejahen somit ihren schutzwürdigen Charakter.
•Spieleautoren in der Künstlersozialversicherung (KSK): Spieleautoren werden von der KSK als Mitglieder akzeptiert, sofern die üblichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Auch hier sind sie als Autoren von Sprachwerken anerkannt. Aber: Viele Spieleverlage führen keine Abgaben auf Autorenhonorare an die KSK ab. In einem konkreten Fall hat allerdings das zuständige Gericht (noch nicht in letzter Instanz) eindeutig positiv zugunsten der KSK entschieden.
•Spiele sind Kulturgut: Spiele sind eine Brücke, die Menschen über Generationen und Nationen hinweg zusammenführt. Die Menschheit hat gespielt, bevor sie schreiben und lesen konnte. Spiele sind ein wichtiges Medium der Sozialisation und ein weithin anerkanntes Kulturgut.

Aber: Nicht digitale Spiele werden nicht öffentlich gefördert – im Gegensatz zu digitalen Spielen und vielen anderen kulturellen Gütern, Institutionen und Einrichtungen. Spiele werden leider auch nicht von der Deutschen Nationalbibliothek gesammelt. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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