Bälle auf den Tisch!

Subbuteo, Wuzeln, Tipp-Kick: Alle möglichen Fußballminiaturen werden in Österreich gespielt. Aber anders als auf dem grünen Rasen spielen wir beim Fußball auf dem Tisch ganz oben mit. Ein weiterer Blick in die Szene.

Seit zwei Wochen ist Marios Strommer als Champion zurück in Wien. Schon wieder. Diesmal hat der Zwölfjährige gleich zwei Pokale mit nach Hause gebracht. Beim Grand Prix von Paris holte er nicht nur den Sieg der Kategorie U12, sondern auch bei der U15. Wie das ging? Marios zögert einen Moment. „Eigentlich weiß ich es nicht“, sagt er verlegen. „Ich hatte einen guten Tag.“ Gegen seinen gleichaltrigen Endspielgegner könnte das stimmen. Aber im anderen Finale, gegen eine 15-jährige Französin, die laut Angaben seines Vaters schon „die Statur einer 17-Jährigen“ hatte, dürfte es auch an Marios Strommers Talent gelegen haben. Der Wiener ist der erste Österreicher, der in zwei Altersklassen gleichzeitig internationale Turniere gewinnen konnte.

Worin eigentlich? Das Spiel, das der Bursche so gut beherrscht, ist eine Art Miniaturfußball und heißt Subbuteo (siehe „Spectrum“ vom 24.Jänner). Mit dem Zeigefinger schnipst man dabei eine nur zentimeterhohe Fußballerfigur, die auf einen etwas größeren tellerförmigen Untergrund geklebt ist, gegen einen Ball. Dieser ist größer als die Figuren und soll durch die gegen ihn fliegende Spielfigur gen Tor befördert werden. Das grüne, einem Fußballrasen nachempfundene Feld aus Filz ist auf einen Tisch gespannt, das Spielprinzip erinnert an Billard.

Subbuteo, das schon knapp 90 Jahre alt ist, wird weltweit von rund 5000 Menschen gespielt, und die Österreicher gehören zu jenen Nationen, auf die geachtet werden muss. Ganz vorn landen nicht selten Spanier, Belgier und Italiener, wobei in Italien sogar für viel Geld gespielt wird, die Stärksten erhalten Subventionen. Weitere respektable Nationen sind fußballbegeisterte Länder wie Argentinien, Brasilien, England sowie Deutschland und eben Österreich.

Doch auch andere Fußballminiaturen werden hierzulande auf hohem Niveau betrieben. Während Subbuteo drei größere Vereine hat, gibt es im Tipp-Kick, bei dem je eine kleine Metallfigur durch einen Knopf auf dem Kopf eine Schussbewegung mit dem Bein ausführt, schon vier organisierte Klubs. Die Spieler trainieren und nehmen regelmäßig an internationalen Turnieren teil, gelten hin und wieder als Geheimfavoriten – große Erfolge blieben bisher aber aus.

Anders ist das beim in Beisln beliebten Wuzeln. Torwart, Abwehr, Mittelfeld und Angriff einer Mannschaft sind bei diesem Spiel jeweils nebeneinander an einer Stange befestigt, wodurch ein Spieler mit dem Drehen an der Stange schießen kann. Österreich ist hier zumindest eine Kaderschmiede, wenn nicht sogar eine internationale Macht. Rund 550 Spieler verfolgen diese Tischfußballart regelmäßig. Im letzten Jahr wurde der Oberösterreicher Kevin Hundstorfer in Nantes Weltmeister im Herreneinzel. Im Damendoppel siegten dort die Wienerinnen Verena Rohrer und Sophie Jobstmann.

Marios Strommer, der schon Tipp-Kickund den Wuzeltisch ausprobiert hat, hat sein Lieblingsspiel gefunden: „Subbuteo mag ich am liebsten. Ich kann den Ball gut treffen und beim Spiel nach vorn ganz kleine Züge machen, also den Gegner gut ausspielen.“ Fußball auf dem Rasen spiele er auch, da fehle ihm aber jenes Talent, das er auf dem Tisch besitze. Seit drei Jahren spielt er regelmäßig, die ersten Partien probierte er gegen den Vater, den er mittlerweile schlägt. Der im Gespräch schüchterne Marios könnte eines Tages ein Aushängeschild seines Landes werden. „Wenn er dabeibleibt“, gibt sein Vater zu bedenken. Dann würde er vielleicht bekannt werden. In anderen Ländern wäre er das mit seinen Leistungen längst, etwa in Malta. Die Mittelmeerinsel ist ein Beispiel dafür, wie ernst Fußballminiaturen genommen werden können. Dort ist Subbuteo nichtnur als Sport anerkannt. Vor einigen Jahren kürten die Malteser sogar einen Subbuteo-Spieler zum Sportler des Jahres.

Solche Dimensionen sind in Österreich undenkbar. „Zumindest solange es hier Skilaufen gibt“, sagt Alfred Strommer. Der 54-Jährige ist designierter Nachwuchschef des Ersten Österreichischen Tischfußballverbands. Sein Sohn Marios ist einer von nur acht jungen Spielern, die auf Leistungsniveau trainieren – also ein- bis zweimal pro Woche, in einem Jugendraum der Pfarre Mariabrunn in Wien Hütteldorf. Geld vom Verband und Sponsoren gibt es nur, wenn große Reisen anstehen, aber auch dann werden die Kosten nicht gedeckt. In Österreich bleibt die Angelegenheit ein Hobby.

Dennoch sind die Spieler bei internationalen Turnieren, die mindestens einmal im Monat stattfinden, und Weltmeisterschaften einmal im Jahr immer wieder erfolgreich. In der Weltrangliste der prestigereichsten „Offenen Klasse“, in der Alt und Jung teilnehmen können, stehen zwei Österreicher in den Top Ten. In der „Veteranenklasse“, Spieler ab 41 und aufwärts, finden sich fünf Österreicher in den Top 20, bei den Junioren dominieren Österreicher wie Marios Strommer sogar klassenübergreifend. Deren Freunde und Kollegen Jonathan Nichtenberger und Daniel Vranovitz spielen ebenfalls oben mit.

Bald Weltmacht in Subbuteo?

Die Österreicher könnten bald eine Weltmacht im Subbuteo werden, glauben die Vertreter des Spiels – wenn es ein bisschen mehr Nachwuchs gäbe. „Wir sind froh, wenn wir bei den Jugendlichen eine ganze Mannschaft von vier Spielern für die Teamwertung stellen können“, sagt Alfred Strommer. „Wenn wir Leute kriegen, sind das meistens solche, die auch noch andere Sportvereine besuchen. Wir haben Fußballer, Hallenhockeyspieler, Handballer. Alle haben an anderen Tagen Training. Manchmal fehlt die Zeit.“

Ein Geheimnis für den Erfolg könnte gerade diese Personalnot sein. „Unsere Jungen müssen immer auch schon gegen Erwachsene spielen. Und dann macht man weniger dumme taktische Fehler“, sagt Alfred Strommer. Denn Alter macht beim Subbuteo schon etwas aus. Da man anders als beim Tipp-Kick, bei dem nur je ein Spieler und der Torwart auf dem Feld stehen, wie beim echten Fußball alle elf Spieler bewegen kann, kommt beim Subbuteo Strategie und Mannschaftsformation größere Bedeutung zu.

Nach seinem Pariser Turniersieg hat Marios Strommer noch einen großen Wunsch. „Ganz klar: Weltmeister zu werden“, schießt es in einem klaren Ton aus ihm heraus. Bei der WM in Belgien will er sich noch heuer die Krone aufsetzen. Und wenn das nicht klappt, gäbe es im Tipp-Kick oder Wuzeln auch noch Möglichkeiten. Theoretisch. Aber ein wahrer Subbuteo-Spieler, gibt auch der stolze Vater und Funktionär zu verstehen, bleibt bei seinem Spiel. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2014)

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