Das Alte unter der Sonne

Mit „Dungeon Keeper“ und „Baldur's Gate“ sind kürzlich je ein grauenvolles und ein herausragendes Remake von PC-Klassikern erschienen. Vom Frustpotenzial der Spiele-Nostalgie.

Es gibt nichts Neues unter der Sonne, sagt der Volksmund; und auch bei PC-Spielen ist es nicht anders. Wirklich originelle Ideen sind rar gesät, über weite Strecken produzieren die großen Studios nur noch Fortsetzungen bewährter Rezepte.

Gelindert wird diese kreative Leere nicht nur durch Crowdfunding-Modelle und „Indies“, also von unabhängigen Entwicklern produzierte Spiele kleineren Budgets – von beiden Modellen war an dieser Stelle schon mehrmals die Rede –, sondern auch noch durch Remakes. Das sind Spiele, die sich nicht erst – wie die x-te Variation der Call-of-Duty-Reihe – die Illusion der Innovation umhängen, sondern gleich einfach ein älteres Originalspiel hernehmen und mit kleineren Anpassungen neu verkaufen.

Beliebt sind dabei vor allem Verbesserungen der Grafik oder des Benutzerinterface – kein Wunder, hat sich in den vergangenen Jahren doch eben in diesen Bereichen viel getan: Bessere Hardware ermöglichte immer bessere Optik der Spiele, und mit weiterer Verbreitung von PCs und Konsolen schritt auch die Technik voran, mit denen das Spielgeschehen zu steuern war – von den komplexen Tastaturkommandos der frühen Textabenteuer über den Siegeszug der Maus- und Controllerbefehle bis zur modernen Touch-Steuerung ist es heute um vieles einfacher als in den frühen 1990er-Jahren, Zugang zu einem Spiel zu erhalten. Damit, so die simple Rechnung der Hersteller und Rechteinhaber, lassen sich mit relativ kleinen Investitionen ganz neue Spielerschichten erschließen, die das Produkt bei seinem ersten Erscheinen verpasst haben – zusätzlich zu jenen Nostalgikern, die sich keine Version des Spiels entgehen lassen.

Allerdings: Das kann auch ziemlich schiefgehen. Denn wie sich herausstellt, ist es mit alten Computerspielen genau wie mit Menschen. Manche bleiben ewig jung, manche altern in Würde, und manche werden mit jedem fortschreitenden Jahr unausstehlicher – und da hilft selbst ein kleiner kosmetischer Eingriff nur wenig.

Mit anderen Worten: Ein Remake kann gut funktionieren – oder eben gar nicht. Letzteres ist aber zumindest emotional schlimmer, als wenn ein regulär produziertes Spiel floppt; denn nicht nur, dass sich ein schlecht gemachtes Remake nicht verkauft, die Entwickler vergrämen damit auch etwaige Fans des Originals, deren Jugenderinnerungen noch an diesem Spiel hängen.

Als Beispiel für diesen geradezu katastrophalen Effekt muss wohl Dungeon Keeper herhalten: 1997 hatte das geniale (längst verglühte) britische Studio „Bullfrog“ unter Peter Molyneux die Idee, das Konzept des klassischen Rollenspiels – Held erobert einen unterirdischen Komplex (den „Dungeon“ eben), besiegt Monster und findet Schatz – mittels Parodie zu brechen, und ließ den Spieler als Herrscher eines solchen Kerkers Fallen stellen, Monster einquartieren und Helden quälen.

Damals, vor 14 Jahren, setzte Dungeon Keeper Maßstäbe – nicht nur aufgrund seines Spielprinzips und schwarzen Humors, sondern auch, was die Bedienbarkeit anging: Mit wenigen Klicks konnte man seine finsteren Legionen dazu bringen, neue Tunnel zu graben, Gold zu schürfen oder Helden zu bekämpfen.

Ende Februar dieses Jahres hat Electronic Arts, einer der größten Spielekonzerne der Welt und unter Spielern (zum Teil zu Unrecht) als eine Art digitales „Empire of Evil“ verschrien, in dem alle Kreativität dem schnellen Geld geopfert wird, nun ein Remake dieses Spiels veröffentlicht – für mobile Endgeräte. Fazit: Es ist die Hölle.

Dungeon Keeper für iOS und Android ist ausschließlich darauf ausgelegt, den Spieler zum Geldausgeben zu bewegen. Denn allein der simpelste Vorgang des Originals, ein Stück Tunnel zu graben – 1997 eine Sache von wenigen Sekunden –, dauert in der App sage und schreibe 24 Stunden. Außer natürlich man investiert einen Edelstein, den man, richtig, mit echtem Geld kaufen kann. Das heißt, dass der ungestörte Spielfluss, der Spaß erst möglich macht, ausschließlich durch einen stetigen Geldfluss gewährleistet wäre.

Das ist genau jene Art, wie man das Free-to-play-Konzept, das zwar Spiele verschenkt, aber einzelne Leistungen darin monetarisiert, völlig ruiniert – und nebenbei noch eine Marke zugrunde richtet, die viele inzwischen erwachsene Spieler einst ins Herz geschlossen haben. Electronic Arts war das immerhin so peinlich, dass es am vergangenen Wochenende mit dem Klassikspielehändler GOG.com kooperierte und das originale Dungeon Keeper gratis für den Download anbot.

Vater der Rollenspiel-Renaissance

Aber es gibt auch gelungene Remakes. Nicht weniger legendär als Dungeon Keeper ist die Baldur's-Gate-Reihe, die Ende vergangenen Jahres als „Enhanced Edition“ erschienen ist – auf PC und Tablet-Geräten. Baldur's Gate, basierend auf dem Dungeons-and-Dragons-Rollenspielsystem von TSR, begründete 1998 die Renaissance der Rollenspiele und den Aufstieg des kanadischen Studios BioWare, das sich in den folgenden Jahren zum Meister des erzählerischen Spielens mausern sollte. (Ein Trend übrigens, der in mehreren Crowdfunding-Projekten dieser Tage wieder auflebt.)

Baldur's Gate ist eine – de facto über drei Teile erstreckte – Heldensage, bei der die Spielfigur gemeinsam mit unterschiedlichen Weggefährten Abenteuer erlebt (und auch genau solche Dungeons erobert, wie sie im Keeper persifliert werden). Für seine Erneuerung hat der Entwickler Beamdog einerseits das Interface aufpoliert – wobei auch die 16Jahre alte Grafik gut gealtert ist –, andererseits neue Weggefährten dazugedichtet. Ein gelungenes Experiment: Die vier neuen Figuren kommen mit ihren eigenen, unverwechselbaren Geschichten und stören nicht das nostalgische Spielerlebnis, sondern ergänzen es sogar noch um einige interessante Neuheiten.

Für Freunde des gepflegten Rollenspiels lohnt es sich hier durchaus, die Zusatzkosten (am PC kostet die ganze Reihe insgesamt rund 45 Euro) auf sich zu nehmen, auch die Tablet-Variante ist trotz der etwas sperrigen Steuerung eine Überlegung wert. Hier zeigt sich vor allem der technische Fortschritt des vergangenen Jahrzehnts, nämlich, dass Spiele, die Ende des vorigen Jahrtausends noch einen High-end-PC benötigt haben, heute auf einem Handcomputer gespielt werden können. Manchmal braucht es eben gar nichts Neues unter der Sonne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2014)

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