Kamele, Konzepte, teure Steine

Die „Spiel des Jahres“-Nominierungen sind da. Mit „Camel Up“, „Concept“ und „Splendor“ treten drei Genres in Konkurrenz.

Die „Spiel des Jahres“-Jury, eine eingeschworene Truppe von Fachjournalisten, dürfte es wohl leid gewesen sein, dass das„Spectrum“ dank des Fachwissens unseres Gastautors Klemens Franz in den vergangenen Jahren regelmäßig richtig getippt hat – und schon bei Bekanntgabe der Nominierungen Mitte Mai vorhergesagt hat, wer die begehrte Auszeichnung im Juli in Händen halten wird. Dafür hat sie heuer ein probates Gegenmittel gefunden: Sie hat Franz kurzerhand selbst nominiert.

Der steirische Spieleillustrator („Agricola“, „Poseidon“, „Le Havre“ und viele mehr) ist inzwischen nämlich selbst unter die Spieleautoren gegangen und hat für Carrera (ja, die mit den beliebten Heimrennbahnen) drei Kinderspiele entworfen: „Start Frei“, „Gib Gas!“ und „Flizz und Miez“ heißen die drei Werke mit Carrera-Look und Rennthema. Letzteres, bei dem die Spieler abwechselnd ein Modellauto über die Rennstrecke jagen und mit einer Modellkatze versuchen, dieses einzuholen – begleitet von hektischem Gewürfle und Gepuzzle sowie der entsprechenden Geräuschproduktion („Miau!“ vs. „Wrooom!“) –, ist nun als „Kinderspiel des Jahres“ nominiert.

Was für „Spectrum“-Leser heißt, dass sie heuer aus Gründen der journalistischen Distanz auf die Franz'sche Expertise verzichten müssen – wiewohl er selbst seine Nominierung nicht vorhergesehen hat. („Dass die Jury ein Lizenzspiel nominiert, ist mehr als ungewöhnlich“.)

Also heuer ohne Prognose und weitere Umschweife zu den drei Nominierten des wichtigsten Gesellschaftsspielpreises der Welt.

Für den Hauptpreis „Spiel des Jahres“ steht zunächst einmal „Camel Up“auf der Liste, ein Lauf- und Wettspiel von Steffen Bogen, erschienen im Eggertspiele-Verlag. Es geht um ein Kamelrennen – und die Spieler, die darauf setzen, wer wann vorn liegt beziehungsweise wer als Erster ins Ziel geht.

Fünf Kamele, die in zufälliger Reihenfolge ziehen, bewegen sich über eine Rennstrecke. In jedem Durchgang kann jeder der zwei bis acht Spieler eine von vier Aktionen ausüben: Er kann auf den Zwischenstand nach diesem Durchgang wetten, auf den Endstand des (etwa vier Spielzüge dauernden) Rennens (auf das „tolle Kamel“, das als Erster ins Ziel geht, oder auf das letztplatzierte „olle Kamel“), er kann einen Würfel werfen und somit ein zufälliges Kamel weiterbewegen, oder er kann eine „Wüstenplatte“ legen, die ein Kamel, das sie betritt, je ein Feld nach vor oder zurück setzt.

Weil die Würfel nur von eins bis drei reichen, liegt das Feld immer nahe beieinander. Und durch die Regel, dass Kamele, die auf ein bereits von einem anderen Tier besetztes Feld kommen, einen „Kamelturm“ bilden und auf diesem mitreiten können, bleibt das Ganze einigermaßen unberechenbar.

Der Trick von „Camel Up“ liegt darin, die Balance zwischen aleatorischem Wettverhalten und der Möglichkeit, den Ausgang der Rennen zu beeinflussen, richtig zu gewichten.

Das nächste nominierte Spiel, „Concept“ aus dem Hause Repos Productions von Gaëtan Beaujannot und Alain Rivollet, ist im Kern ein Partyspiel. Wie bei „Activity“, „Tabu“ oder „Cranium“ geht es genretypisch darum, einen Mitspieler möglichst schnell ein bestimmtes Wort erraten zu lassen. Im Gegensatz zu den bisherigen Spielen der Gattung geht es aber nicht so sehr um die eigene kreative Leistung durch Zeichnen, Erklären oder Pantomime, sondern um das clevere Kombinieren von Symbolen.

Auf dem Spielplan sind mehrere Dutzend Symbole abgebildet, die für Konzepte und Subkonzepte stehen: ein Tropfen für Flüssigkeiten, Messer und Gabel für Essen, ein Hammer für Werkzeug und so weiter. Der Spieler, der an der Reihe ist, markiert nun nach und nach mehrere dieser Symbole, bis einer der Mitspieler den gesuchten Begriff errät. Wer zum Beispiel die Symbole für Flüssigkeit, Essen und die Farbe Rot markiert, könnte Ketchup meinen. Der erste Spieler, der den Begriff errät, bekommt Punkte.

Wie alle Partyspiele lebt „Concept“ von der Interaktion in der jeweiligen Gesellschaft. Für das Spiel spricht die Aufmachung, die der App-Generation entgegenkommt: Die bunten, quadratischen Symbole könnten direkt aus einem App-Store entlehnt sein. Sonst ist es ein recht konventionelles Begrifferaten – eine Gattung, die im „Spiel des Jahres“-Ranking bisher noch nicht ausgiebig Niederschlag gefunden hat.

Komplett wird das Nominiertentrio in der Königskategorie „Spiel des Jahres“ mit „Splendor“. Thematisch im Handel mit edlen Steinen angesiedelt, ist das ein beinhartes Kartenrechenspiel, das vor allem von seinem gut gemachten Material lebt: Auf Chips fixierte Rubine, Saphire, Smaragde und andere sollte man sammeln, um sie gegen Punktekarten einzulösen, die wiederum den Einkauf einer bestimmten Edelsteinsorte verbilligen.

Adelige als Siegerpunkte

Hat der Spieler die richtige Kombination an Klunkern beisammen, gewinnt er – wie Motten zum Licht – „Adelige“, die wiederum Siegpunkte bringen. Spielerisch erinnert das von Marc André im Space-Cowboys-Verlag publizierte Spiel am ehesten an den „D&D“-Ableger „Lords of Waterdeep“ –es gibt schlechtere Referenzen –, nur extrem reduziert und verschlankt. Rechner, die im Kopf knifflige Kombinationen mehrerer Spielzüge im Voraus durchspielen, werden hier ihre Freude haben, verknüpft mit dem haptischen Erlebnis, Edelsteine vor sich zu stapeln und umherschieben zu können.

Während alle drei Nominierten solide Spiele sind, verdient den Preis aus „Spectrum“-Sicht am ehesten „Camel Up“ – der kreativen Leistung halber. Wo „Concept“ und „Splendor“ frische Beiträge zu bereits recht etablierten Gattungen darstellen, ist „Camel Up“ mit seiner Kombination aus Leiterspiel und Wetten der originellste Beitrag heuer. Aber warten wir ab, wie die Jury entscheidet – unser Wahrsager muss sich heuer ja zurückhalten. ■

Nominiert als „Spiel des Jahres 2014“:

„Camel Up“

„Concept“

„Splendor“
Nominiert als „Kinderspiel des Jahres“:

„Flizz & Miez“

„Geister, Geister, Schatzsuchmeister!“

„Richard Ritterschlag“
Nominiert als „Kennerspiel des Jahres“:

„Concordia“

„Istanbul“

„Rokoko“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2014)

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