Treffer: Das Kind im Professor

Es lässt sich nicht leugnen, dass ein Name mit hohem Bekanntheitsgrad für den Träger rechterfreuliche Nebenerscheinungen garantiert. Das müssen nicht unbedingt kolossale Privilegien sein, aber hin und wieder kann es ein exzellentes Erlebniszuckerl geben, das als Mr. Nobody nicht zu erlangen gewesen wäre. Nehmen wir zum Beispiel einen bekannten Wissenschaftler, der in seiner kargen Freizeit sich der Musik als Hobby widmet und da besonders dem Geigenspiel. So einer hat auch nicht die Möglichkeit, beim imFernsehen weltweit übertragenen Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker prominent mitzufiedeln, aber ein gemeinsames Spielen mit wahren Instrumentalvirtuosen, etwa im erweiterten Freundeskreis, ist gelegentlich durchaus möglich. Da kann es zu seltsamen Reaktionen kommen, sodass nicht ein Stein auf dem anderen bleibt.

So urteilte etwa einmal ein bei einer solchen Klassik-Session anwesender, nichtallzu heller Journalist eher skeptisch: „Er spielt ausgezeichnet. Sein Weltruhm aber ist unbegründet. Es gibt viele ebenso gute Geiger.“ Ein mürrischer Wissenschaftskollege attestierte dem Hobbygeiger und Physiker: „Er hat einen Strich wie ein Holzfäller.“ Nun gut, auch Neid muss man sich erst einmal erwerben. Oft hörte der Mann auf die Frage, wie er gespielt habe, die Antwort: „Oh ja, eh relativ gut.“

Nun aber stand ein gemeinsamesSpiel mit einer wahren Koryphäe auf dem Programm: Der geborene Wiener diente bis zu seiner Verwundung im Ersten Weltkrieg in der Habsburgerarmee, verbrachte die letzten Kriegsjahre in Amerika,von wo er seine Musikerkarriere startete.Seine umjubelten Welttourneen wurden durch die Verbreitung von Schallplatten mitermöglicht.

Neben diesem Titanen die zweite Geige spielen zu dürfen war dem Wissenschaftler eine Ehre. Ob aus Nervosität oder aus Zerstreutheit – jedenfalls verpasste er seinen Einsatz und spielte nicht im Takt. Der Supergeiger setzte sein Instrument ab und sagte: „Was ist los, Professor, können Sie nicht zählen?“ Da hatte der weitschichtig mit einem österreichischen Kabarettisten verwandte Starviolinist selbstredend die Lacher auf seiner Seite. Auch der Nobelpreisträger, er blieb bis zu seinem Tod ein größeres Kind, lachte herzhaft mit. ■


Wer traf wen? Der Kabarettist? Wodurch wurde der Physiker zum Popstar?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2014)

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