Treffer: Familienstreit im TV-Studio

Schon ein normaler Unternehmer hat es ja unglaublich schwer, aber Guillaume Daubrey ist wahrlich zu bemitleiden. Ist er doch nicht nur ein fast genialer Erfinder und Entrepreneur, sondern auch Bürgermeister seines Städtchens. Seine Arbeiter behandelt er sozial: Er beschäftigt sie mit dem gewerkschaftlich akzeptierten Mindestlohn. Und gegen Monatsende überreicht er ihnen persönlich den Gehaltsscheck (möglich, dass sich ein verstorbener Kärntner Landesfürst von dem Film inspirieren ließ zu seiner „Bar aufs Handerl“-Politik). Man kann ruhig sagen: Die Arbeiter sind seine Schäfchen. Und so flüstert er auch in der Nacht, um endlich einschlafen zu können: „Ein Arbeiter, zwei Arbeiter, drei Arbeiter, hopp!, vier Arbeiter....“ – ein guter Patron eben.

Aber dankt man es ihm? Nein, selbst seine Angetraute Bernadette stellt sich gegen ihn, weil er das ganze familiäre Anwesen für seine ökonomischen Entfesselungsaktivitäten nutzbar machen will. Und nicht nur daheim bockt sie, nein, sie wagt es sogar, gegen ihn für das Bürgermeisteramt zu kandidieren. Und weil sich die Medien überall einmischen müssen, steht er nun da in einer live übertragenen TV-Konfrontation. Und muss sich – obwohl die große Zeit der Rabiatgrünen noch fern ist, wir schreiben erst 1978 – von Bernardette vorwerfen lassen: „Du hast mein Heim zerstört, meinen Gemüse- und meinen Wintergarten!“ Gegen derlei Gefühlseruptionen sind seine glasklaren rationalen Argumente („Erstens: Arbeitsplätze! Zweitens: Arbeitsplätze! Drittens: Arbeitsplätze!“) wirkungslos.

Paraderollen für ein furioses Mimenduo. Er, vor fast 100 Jahren als Sohn spanischer Eltern geboren, die erst 1904 eingewandert waren, machte mit vollem Körpereinsatz die Modekrankheit ADHS vor Jahrzehnten schon anschaulich. Ob als Industrieller oder als immer heillos überfordertes Wachorgan, stets fuchtelte und grimassierte er hektisch und missgünstig am Rande der Selbstverletzung. Sie: 1931 als Tochter einer Hebamme geboren, machte eine Ausbildung zur Krankenschwester und wurde eine gefeierte Charakterdarstellerin des europäischen Films. Bereits in den Neunzigern an Alzheimer erkrankt, begeisterte sie noch in der Spätphase ihre Lebens in zwei Filmen eines österreichischen Regisseurs. ■

Wer traf wen? Seine Paraderolle?
Der Regisseur?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2014)

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