Was soll er davon halten? Ein prominenter Politiker lässt fragen, ob er sich mit ihm treffen dürfe. Ist er etwa einFan, der die Begegnung sucht? Der Sänger und Schauspieler ist auf dem Weg nach oben. Könnte schon sein, dass ihn der beliebte Senator einfach einmal kennenlernen möchte.
Wenig später sitzt der Künstler dem Jungpolitiker gegenüber und taxiert ihn: ein smarter Typ, eloquent, sympathisch, gefangen im Wunsch, zum Präsidentschaftskandidaten gewählt zu werden. Die beiden beäugen einander. Bald ist klar, dass es hier nicht allein um eine freundliche Plauderei gehen würde. Dafür ist der Politiker zu ambitioniert. Entsprechend ehrgeizig sind die Pläne seiner Berater, aufStimmenfang zu gehen und dabei auch den Sänger als Köder zu benutzen.
Doch kann man ihn dafür gewinnen? Es wäre ein Coup. Der attraktive NewYorker, Sohn karibischer Einwanderer, ist dabei, die Musik der Farbigen salonfähig zu machen: Seine Lieder und auch die Filme, in denen er mitgespielt hat, wirken integrativ. Und das ist in einer Gesellschaft, in der Herkunft und Hautfarbe über Karriere und Lebensglück entscheiden, ein Versprechen. Darauf setzt nun der zukünftige Präsidentschaftskandidat und sucht den Entertainer mit an Bord zu holen, um sich so die Stimmen der farbigen Bevölkerung zu sichern. Doch würde der Künstler mitspielen?
Er zögert. Das Gespräch zeigt, wiewenig der Politiker von der Bürgerrechtsbewegung weiß und wie weit er entfernt steht von den Bemühungen, allen Menschen des Landes zu gleichen Chancen zu verhelfen. „Er kannte nur die großen Headlines der Zeitungen“, erinnerte sich der Musiker Jahre später. Also sagt er ab: In seinen Liedern scheint die Sonne durchdie Palmen, doch als Mensch ist er ein ernsthafter Aktivist.
Erst als der Politiker zum Präsidentschaftskandidaten gekürt ist und seinen Visionen von der Gleichberechtigung aller Bürger etwas glaubwürdiger Platz einräumt, ist der Künstler umgestimmt und lässt sich in den Wahlkampf einspannen. Mit Erfolg. Die beiden werden ein Stück weit Weggefährten. Und doch gibt es immer noch Mauern, die sich nicht so schnell einreißen lassen. Ein erstes Loch aber ist herausgebrochen. ■
Wer traf wen? Wer war die Galionsfigur der Bewegung? Wo und wann erreichte diese ihren Höhepunkt?
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2014)