Treffer: Frauenquote – es geht ja doch

Mächtig sind sie beide. Die eine ganz offiziell, durch ihre Geburt und die Abstammung aus einer der politisch einflussreichsten Familien Europas.

Mächtig sind sie beide. Die eine ganz offiziell, durch ihre Geburt und die Abstammung aus einer der politisch einflussreichsten Familien Europas. Ihre Laufbahnwar vorgezeichnet: die Erziehung, die Verheiratung, die Regentschaft, die sie entschlossen und voller Autorität in die Hand genommen hat. Zwar ist ihr die Krone nicht vollends in den Schoß gefallen, dochansonsten scheint sich ihr Leben in vorgezeichnete Bahnen zu fügen.

Bei der anderen Dame hingegen wird die Karriere zum steten Kampf. Sie ist schön, klug und mit viel Ehrgeiz ausgestattet. Ihre Eltern, beide aus bürgerlichen Verhältnissen, hatten dafür gesorgt, dass die Tochter gut gebildet und mit perfekten Manieren auf Männerfang ging. Schon die erste Ehe manövrierte sie in diebessere Gesellschaft. Das war ihr nicht genug. Mit Raffinesse gelang es ihr, den König für sich zu gewinnen, mehr noch: als offizielle Mätresse anerkannt zu werden. Seit ihrer Scheidung steht sie dem – selbstverständlich verheirateten – König zur Seite. Dieser, ein schwacher Regent und bekannter Schürzenjäger, Urenkel desRoi Soleil, lässt sich gerne von ihr beraten. Auch nach Ende der Liaison vertraut er ihrem politischen Instinkt.

Entsprechend wichtig wird sie für alle,die in Versailles etwas erreichen wollen. Auch Wien klopft an. Der Staatskanzler schickt einen seiner Gesandten vor, um die Lage zu sondieren. Dieser trifft sich mit der Mätresse – die beim König interveniert. Und bald schon kann man nach Österreich vermelden, dass Frankreichgewillt ist, ein Bündnis gegen Preußen zu schließen.

Als die Nachricht in der Wiener Hofburg eintrifft, ist die Freude so groß, dass die Regentin über ihren Schatten springt. Tugendsam, wie sie ist, verurteilt sie das Mätressenwesen am französischen Hof. Doch nun gibt sie ein kostbares Möbelstück in Auftrag, um es jener Dame schicken zu lassen, die ihr so sehr geholfen hat: ein Schreibpult, in das ihr Porträt eingelegt ist. Bald darauf erreicht sie ein Brief aus Versailles: Sie sei weiterhin ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin, heißt es darin. Eine formvollendete Antwort.

Der Vertrag wird 1756 unterzeichnet. Über die Hintergründe seines Zustandekommens wird geschwiegen: Mächtige Frauen halten auch da zusammen. ■


Wer traf wen? Wer war der Kanzler?
Wer war der französische König, wer der preußische?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2014)

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